: Muslimische Friedensmission für Afghanistan
Bald könnte die Vorhut einer von der Türkei geführten Truppe in Afghanistan sein. Bangladesch, Indonesien und Malaysia wollen sich beteiligen
ISTANBUL taz ■ Bereits Mitte dieser Woche sollen die ersten Soldaten einer islamischen Friedenstruppe für Afghanistan in Kabul eintreffen, deren Führung die Türkei übernehmen soll. Dies berichtete die Washington Post am Samstag. „Schickt die Türken“, titelte auch die größte Istanbuler Zeitung Hürriyet und bezog sich damit auf den UN-Afghanistanbeauftragten Lakhdar Brahimi. Er hatte ebenfalls eine internationale Ordnungstruppe unter Führung der Türkei gefordert.
3.000 Soldaten will das Land für eine Friendesnmission zur Verfügung stellen, hat der türkische Außenminister Ismail Cem vor der UN-Vollversammlung erklärt. „Die Türkei ist bereit, eine Vorreiterrolle zu spielen“, versprach Cem, „wenn sie bei den Entscheidungen über die Zukunft Afghanistans angemessen beteiligt wird.“
Bislang wird auf diplomatischer Ebene in der so genannten Sechs-plus-Zwei-Gruppe die Zukunft Afghanistans verhandelt – das sind die sechs unmittelbaren Nachbarstaaten plus USA und Russland. An diesen Beratungen möchte die Türkei beteiligt werden, da sie sich der usbekischen Minderheit in Afghanistan verpflichtet fühlt. Jetzt soll eine Gruppe von 20 Staaten gebildet werden, die über Afghanistan beraten sollen. Dazu wird dann sowohl die Türkei wie auch die Bundesrepublik gehören.
Noch geht in der Frage möglicher Friedenstruppen einiges durcheinander. Wer nun welche Truppen für den „Kampf gegen den Terror“ oder die Wiederherstellung der Ordnung im Land schicken wird und wie sie sich unterscheiden, ist völlig ungeklärt. UN-Generalsekretär Kofi Annan hat angekündet, die Weltorganisation werde nun verstärkt nach Afghanistan zurückkehren. Sein Beauftragter Brahimi erklärte, da die Vorbereitung einer UN-Blauhelmmission längere Zeit in Anspruch nehmen werde, sollten bereits vorab Truppen, die bislang an den Kämpfen nicht beteiligt waren, als Ordnungsmacht einrücken. Dabei denke er vor allem an die Türkei, an Jordanien, Kanada und einige europäische Länder. Bislang hat die Türkei lediglich die Entsendung von 90 Elitesoldaten beschlossen, die in den kommenden Tagen nach Usbekistan fliegen werden.
Das Land fühlt sich in seinem Selbstwertgefühl gestärkt, wenn es nun heißt, die Türkei solle als einziges muslimisches Nato-Land die Führung einer Friedenstruppe übernehmen. Selbst die beiden islamischen Oppositionsparteien, die einer Entsendung von Kampftruppen heftig widersprochen haben, werden mit einer Friedensmission leicht leben können. Um den Anteil muslimischer Soldaten an einer solchen Mission zu erhöhen, wollen auch Bangladesch, Indonesien und Malaysia Truppen stellen. Aus der arabischen Welt ist dagegen nur Jordanien bereit, sich mit eigenen Soldaten zu beteiligen. Ägypten hat abgewinkt, und andere arabische Regime wollen erst gar nicht in den Verdacht kommen, sich als Handlanger der USA in Afghanistan benutzen zu lassen.
JÜRGEN GOTTSCHLICH
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