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Das SPD-Programm heißt Wahlsieg

Abschluss des SPD-Parteitages: Rudolf Scharping referiert über ein Grundsatzprogramm, das ohnehin auf Eis liegt, und die Delegierten sorgen sich über ihr neues Image als Kanzlerwahlverein. Mit dem ist Franz Müntefering ganz einverstanden

aus Nürnberg RALPH BOLLMANN

Der Kanzler schaute grimmig und goss sich erst mal Kaffee ein. Es referierte Rudolf Scharping, Thema: das neue Grundsatzprogramm der SPD. Politik, mahnte der glücklose Genosse, müsse „mehr und anderes sein als das Verwalten des Unvermeidlichen“. Nur als Mitglieder- und Programmpartei habe die Sozialdemokratie eine Zukunft. Gerhard Schröder applaudierte kurz und pflichtgemäß.

Von ihrer Vergangenheit als Partei der großen Gesellschaftsentwürfe und leidenschaftlichen Debatten hat sich die SPD auf ihrem viertägigen Parteitag, der gestern in Nürnberg zu Ende ging, weitgehend verabschiedet. Am letzten Tag wurden die Pläne für das neue Grundsatzprogramm, das eine Kommission unter dem Vorsitz von Rudolf Scharping gerade erarbeitet, noch schnell zu den Akten gelegt – vorläufig. Bis zur Bundestagswahl werde die Partei, so Schröder, „die mittelfristige Programmarbeit zurückstellen“.

Die neuen Grundsätze sollen das Berliner Programm ablösen, das die SPD kurz vor der Wiedervereinigung beschlossen hatte. Als die neuerliche Programmdebatte vor zwei Jahren begann, war die Vorgabe klar: Der Bundeskanzler wollte seine Partei auf den Kurs trimmen, den er mit dem Schröder-Blair-Papier vorgegeben hatte. Doch die Risikofreude ist mittlerweile gedämpft, spätestens seit dem 11. September dominiert das Sicherheitsbedürfnis. Afghanistan-Einsatz, innere Sicherheit, Wirtschaftspolitik der ruhigen Hand – durch das Vertrauensvotum im Bundestag diszipliniert, folgten die Delegierten dem Schröder-Kurs auf allen Feldern mit Mehrheiten um die 90 Prozent.

Nur auf den Gängen sorgte man sich, die einst so diskussionsfreudige Partei drohe zum Kanzlerwahlverein zu verkommen. So fragte sich ein führender SPD-Landespolitiker, „wie man in der Mediendemokratie Debatten organisieren kann, ohne dass es gleich als Streit interpretiert wird“. Nur einer sprach sein Unbehagen offen aus – Wolfgang Thierse, der gerade durch ein gutes Wahlergebnis gestärkte Parteivize. Bei aller Geschlossenheit wolle er „schon, dass die SPD immer eine diskutierende Partei bleibt“, mahnte der Bundestagspräsident. Generalsekretär Franz Müntefering hat solche Probleme nicht. „Wir sind nicht gegründet worden, um die Sozialisation zu lernen“, sagte der Parteimanager.

Ein einziges Mal kam Leben in die Nürnberger Frankenhalle. Als Familienministerin Christine Bergmann am Mittwoch abend gerade über das gesellschaftliche Engagement der Jugend dozierte, entrollten sechs junge Demonstranten ein Transparent mit der Aufschrift „SPD – Kriegspartei, beim Morden wieder mit dabei“. Der Protest blieb Episode. Zwar verbindet den Kanzler und seine Partei nach wie vor kein Liebesverhältnis, sondern nur eine kühle Geschäftsbeziehung. Aber am Ende konnte sich Schröder für ein Maß an Unterstützung bedanken, von dem er behauptete, er habe es „so nicht erwartet“. Als wäre das nicht Programm gewesen.

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