: Grüne: Nicht um jeden Preis regieren
■ Für den Krieg und für die Regierung, für eins davon oder gar für gar keins? Die acht Bremer Deputierten des Parteitags haben sich schon entscheiden / Drei sind dagegen
Mit eher mauen Gefühlen haben die acht Bremer Delegierten der Grünen gestern ihre Koffer gepackt. Für den Parteitag in Rostock, auf dem es heute um die Beteiligung am Krieg in Afghanistan geht. Und an dem letztendlich die Koalition in Berlin scheitern könnte.
Die Lage im grünen Parteivolk ist entsprechend gespannt – auch in Bremen. Nach heftigen Diskussionen diese und vergangene Woche in den Kreisverbänden und Stadtteilgruppen sind voraussichtlich fünf der acht Abgesandten für den Verbleib in der Koalition. Eine eher knappe Mehrheit. „Das wird eine ziemliche Schlacht geben“, ist sich einer der Delegierten sicher.
Vor allem wenn – wie Donnerstag bekannt wurde – die Abstimmung über den Bundeswehreinsatz verknüpft würde mit dem Fortbestand der Berliner Regierung. „Die gleiche Erpressung wie von Schröder im Bundestag“, rumort die alternative Basis und fragt sich, wie demokratisch der eigene Regierungsstil da eigentlich noch ist. „Höchst ärgerlich“ findet das nicht nur der Bremer Landesvorstandssprecher Klaus Möhle: „Das zwingt dazu, auf zwei grundverschiedene Fragen eine Antwort geben zu müssen.“
Aber selbst wenn ein „Nein“ zur Bundeswehr-Beteiligung zwangsläufig auch das Aus für die Berliner Koalition bedeutete: Die Delegierten aus Bremerhaven, Schwachhausen und dem Westen würden bei ihrer Ablehnung bleiben – und zwar mit ausdrücklicher Billigung der Stadtteilgruppen und Kreisverbände. Auch der jetzt eingereichte Initiativantrag von dem Bremer Ralf Fücks und dem Europa-Abgeordeten Daniel Cohn-Bendit, der die Bundestagsentscheidung zwar billigt, aber engere Grenzen als der Bundesvorstand formuliert, wird daran nichts mehr ändern.
Beschlüsse der Bundesregierung wie zuletzt beim Atomkonsens „haben uns immer wieder Mitglieder gekostet – diese Tendenz ist doch Besorgnis erregend“, klagt zum Beispiel der Bremerhavener Deputierte Hans-Joachim Müller-Hansen. Er fürchtet, dass der Einsatz in Afghanistan außer Kontrolle geraten könnte, wenn inzwischen bereits US-Angriffe auf den Irak diskutiert würden.
Allein schon um des lieben Friedens im multikulturellen Gröpelingen willen wird die Deputierte Ulrike Joest gegen den Afghanistan-Krieg stimmen. Kanzler Gerhard Schröder (SPD) habe sich mit seiner bedingungslosen Unterstützung für die USA „viel zu früh und viel zu weit aus dem Fenster gelehnt – mit Duldung der grünen Bundesspitze“, findet die Lehrerin. Und jetzt, „jetzt haben wir das Dilemma.“
Ganz anders die Bremer Abgesandten der Kreisverbände Mitte oder Ost. „Ich bin nicht zur Delegierten gewählt worden, damit ich der Regierung Adé sagen soll“, erklärt zum Beispiel die Bürgerschaftsabgeordnete Karin Krusche. Auch in Osterholz/Tenever wurde hart um den Kurs der Regierung diskutiert. „Niemand ist hier leichtfüßig für den Krieg“, sagt der Deputierte Ralf Krnavek. Trotzdem wollte die Mehrheit der Grünen im Bremer Osten lieber die Bemühungen von Außenminister Joschka Fischer für zivile Einsätze unterstützen.
Trotzdem: Für Krnavek ist die Verknüpfung von Kriegseinsatz und Vertrauensfrage durchaus berechtigt. „Wenn die Mehrheit der Partei gegen die Linie der Regierung votiert, dann bedeutet das das Ende der Koalition“. Man wird sehen. Dorothee Krumpipe
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