: Becks im Ratskeller?
■ Neues Sanierungskonzept für die Ratskeller-GmbH: Die Shops im Hansa-Karree und Walle-Center werden aufgegeben, der Ratskeller selbst bekommt nach 500 Jahren einen Bier-Betreiber
Alle Jahre wieder, wenn das Jahr sich dem Ende neigt, muss sich der Senator für Finanzen mit dem Problem Ratskeller befassen. Denn bei dem liegt eine „nachhaltige Verlustsituation“ vor, so der offizielle Befund. Im Herbst 2000 gab es die Idee der Flucht nach vorn: Die Ratskeller-GmbH sollte ihren defizitären Verkaufstellen im Walle-Center und Hansa-Karree erlauben, auch preiswertere südeuropäische Weine zu verkaufen. In den vergangenen zwölf Monaten ist darüber ganz neu nachgedacht worden – die Ratskeller-GmbH machte derweil etwa 640.000 Mark neues Defizit. Ergebnis: Statt der Flucht nach vorn kommt der Rückzug. Die Filialen sollen „abgemietet“ werden, der Ratskeller selbst soll durch Bierausschank drinnen und ab 2003 auch draußen unter den Arkaden rentabler werden. Und das Hotel Maritim fliegt als Pächter raus.
Angefangen hat das Nachdenken in diesem Jahr mit einem 600.000-Mark-Scheck im Februar. Der Finanzsenator gab das Geld offenbar zähneknirschend und ließ sich ab Mai monatlich von der Geschäftsführung der Ratskeller-GmbH „in Prozent und absoluten Beträgen“ berichten, wie der Stand der Geschäfte in den einzelnen Filialen und die „Umschlagshäufigkeit“ sei. Abfindungen von 50.000 Mark wurden fällig, erwartete Kos-tenersparnis ab 2002 sind 95.000 Mark jährlich. Die Filiale im Hansa-Karree soll Ende des Jahres geschlossen werden, wenn denn der Vermieter zustimmt. Das muss man den Beschäftigten dort noch sagen – die ahnen bisher noch nichts. Die Schließung wird knapp 300.000 Mark kosten – einschließlich der fälligen Schadensersatz-Forderungen. Denn der Mietvertrag war bis 2009 abgeschlossen worden.
Bei der defizitären Filiale im Walle-Center sieht es schwieriger aus. Da ist die Ratskeller-GmbH eine „Betreibenspflicht“ eingegangen, und das bis Ende September 2009. Ein privater Weinhändler, der die Lage geprüft hat, hat abgewunken: Die Lage des Ladens ist schlecht, selbst bei Mietsubventionen durch den Finanzsenator würde kein Kaufmann an dieser Stelle einen Weinhandel aufmachen.
Muss der Laden also von der Stadt bis zum bitteren Ende des Mietvertrages 2009 durchgezogen werden? Ein letzter Strohhalm: Die neue Besitzerin des Walle-Center, ein Immobilienfonds mit dem klingenden Namen „Westfonds-KG“, gehört wesentlich dem Investor Albrecht, der das Walle-Center gebaut und dann – quasi an sich selbst – verkauft hat. Das hatte Albrecht offenbar nicht direkt zugegeben, aber „es konnte festgestellt werden“, notiert der Finanzsenator. Und da Albrecht noch in Haven Höövt mit der Stadt im Geschäft ist, könnte „politische Unterstützung“ bei den Verhandlungen um außerordentliche Kündigung des Mietvertrages helfen, hofft der Finanzsenator.
Und dann bleibt die Gastronomie im Ratskeller. Ein Denkmal, für das der ganze Aufwand betrieben wird, denn niemand würde an eine für große Lastwagen unzugänglichen Adresse im Zentrum der Stadt ein Weinlager betreiben – wenn dort nicht der historische Weinkeller unter dem Rathaus wäre. Aber so teuer können die Weine durch Aufkleben des Ratskeller-Etiketts gar nicht gemacht werden, um die entstandenen Kosten aufzufangen. Im vergangenen Herbst war den Controllern der Ratskeller-GmbH dazu nichts eingefallen.
Ein Jahr danach gibt es nun doch eine Idee: Das Maritim-Hotel als Pächter soll rausfliegen. Der neue Pächter darf Bier ausschenken – das hat es in dem über 500 Jahre alten Ratskeller noch nie gegeben. Die Stadt soll dem Pächter ab 2003 eine „Arkadenbewirtschaftung“ am Marktplatz ermöglichen. Die jahrhundertealte Tradition des Bremer Ratskellers gehört eben auch zum verkäuflichen „Tafelsilber“.
Klaus Wolschner
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