: Offensiver werben
Anlegerbefragung: Forschungsprojekt ermittelt bei Investoren ein steigendes Interesse an sozialökologischen Geldanlagen. Doch den meisten sind die Produkte noch viel zu wenig bekannt
Der Markt für ökologische Geldanlagen weckt Begierden: Das jedenfalls lässt sich trotz aller Ups and Downs der vergangenen 15 Monate an dem unvermutet rasanten Aufstieg einzelner Öko-Werte im letzten Jahr ablesen.
Dass der Markt längst nicht ausgereizt, das Interesse der Anleger vielmehr sehr groß ist, zeigen die Ergebnisse eines gemeinsamen Forschungsprojekts des Instituts für Markt, Umwelt, Gesellschaft an der Universität Hannover (imug) und des dortigen Lehrstuhls für Markt und Konsum. Der Arbeitsbericht des ersten Teils des auf insgesamt drei Jahre angelegten dreistufigen Projekts wurde jüngst veröffentlicht.
Erkenntnis: „Die Bekanntheit und das Interesse an ethisch-ökologischen Geldanlagen in Deutschland wächst.“ Während in früheren Untersuchungen das Interesse an sozialökologischen Geldanlagen noch bei etwa 26 Prozent gelegen habe, bekundeten in der neueren Erhebung 44 Prozent der Befragten ihr Interesse daran. Allein: „Zwischen Interesse, bekundeten Absichten und dem tatsächlichen Verhalten klafft eine deutliche Lücke.“ Denn nur 3 Prozent der Befragten gaben an, dass ihnen bereits ein sozialökologischer Wertpapierfonds angeboten worden sei. Und nur ein Bruchteil davon wiederum (0,68 Prozent) hat „tatsächlich in einen Fonds investiert“.
Ausgangspunkt der Studie ist, dass bislang „keine genauen Kenntnisse über die Interessen, Einstellungen und Motive der Anleger“ vorliegen. Diese galt es zu ermitteln. Im Zentrum des ersten Teils standen deshalb Bekanntheit und Attraktivität von grünen Anlageformen – seien es nun Lebensversicherungen, Sparbücher, Investmentfonds oder Direktbeteiligungen wie Windparks und Solaranlagen – sowie die Erfahrungen der Investoren damit.
Waren es in der letzten imug-emnid-Untersuchung von 1999 nur kaum 24 Prozent, kennt heute immerhin rund ein Drittel der Befragten sozialökologische Geldanlagen (34 Prozent). Hinsichtlich der Details allerdings gab es große Schwankungen: Fast 5 Prozent wissen zwar um die Möglichkeit einer Investition in grüne Aktien, doch nur 0,5 Prozent der Befragten war klar, dass es beispielsweise auch festverzinsliche Wertpapiere in diesem Segment gibt.
Knapp 45 Prozent der Interviewten finden Öko-Anlagen „sehr attraktiv“ bis „eher attraktiv“. Völlig „unattraktiv“ sind sie nur für 9 Prozent. Bemerkenswert: Knapp 65 Prozent derjenigen, die dieser Anlageform Attraktivität bescheinigen, sind Frauen. „Offenbar stehen die weiblichen Anleger neuen, mit Verantwortungsbewusstsein verbundenen Produkten aufgeschlossener gegenüber als ihre männlichen Pendants“, schlussfolgern die Autoren.
Dabei ist „Attraktivität“ nicht gleichzusetzen mit „überdurchschnittlicher Rendite“, im Gegenteil: „Knapp drei Viertel der Befragten gehen davon aus, dass sie mit der Kapitalanlage in sozialökologische Fonds auf Zinsen verzichten. Doch nur 17 Prozent der Befragten gaben an, dass allein dies der Grund sei, bislang nicht in den Ökomarkt investiert zu haben. Dieses Ergebnis unterstreiche, so imug, dass „eine Abhängigkeit zwischen Rendite und Attraktivität einer Kapitalanlage nicht so ohne weiteres hergestellt“ werden könne.
14,5 Prozent bezweifelten allerdings, dass der Erwerb sozialökonomischer Fonds zur Verbesserung der Umwelt beitrage und 7,5 Prozent hielten sie gar insgesamt für unglaubwürdig. Daraus zieht die Studie den positiven Umkehrschluss: „Sozialökologischen Fonds wird ein hohes Potenzial“ zur Lösung aktueller Umwelt- und sozialer Probleme zugeschrieben.
In eine Bewertung von Investorenkonzepten wurden letztlich nur jene Anleger einbezogen, die „sich vorstellen können, in den nächsten fünf Jahren Geld in Wertpapierfonds anzulegen“. Dabei fand man fünf Gruppen, die sich hinsichtlich der Prioritäten Rendite, Risiko und sozialökologisches Engagement unterscheiden.
Die größte Gruppe umfasst demnach die „Renditefokussierten“ (imug): Für 36 Prozent sei die Rendite das wichtigste Anlagekriterium, Risiko und Öko-Engagement haben für sie kein Gewicht. Auffallend hier: ein besonders großer Männeranteil.
Die zweitgrößte Gruppe sind die „Risikoscheuen“ (26 Prozent), denen es in erster Linie darum geht, „dass ihr Geld sicher angelegt ist“; Rendite und Öko-Engagement spielen nur eine nachgeordnete Rolle. Hier ergab die Auswertung, dass – ebenso wie bei den Risikofokussierten – „deutlich mehr jüngere Menschen vertreten sind“ als im Durchschnitt der Befragten. Auch zeigte sich eine eher konservative Werthaltung, die Umwelt- und Sozialorientierung „ist leicht unterdurchschnittlich ausgeprägt“.
Für die Gruppe der „Ertragsinteressierten mit ethischer Orientierung“ (9 Prozent) hingegen ist das sozialökologische Engagement neben der guten Rendite „von großer Bedeutung“. Knapp 60 Prozent haben Abitur oder sind Akademiker, viele auch leitende Angestellte.
Die „Verantwortungsbewussten mit Gewinnerwartung“ (10 Prozent) wollen ihr Geld in erster Linie „ethisch vertretbar anlegen“ und erwarten erst danach eine akzeptable Rendite. Auffallend: fast 60 Prozent Frauen, 52 Prozent Akademiker.
Eine nur untergeordnete Rolle spielen Rendite und Risiko für die „Idealisten“ genannte Gruppe (18 Prozent). „Für sie hat das sozialökologisches Engagement der Unternehmen, in die sie investieren, klar oberste Priorität“, so die Studie.
Als Fazit lässt sich aus der Untersuchung vor allem eines feststellen: Die Kommunikation zwischen Anbietern grüner und ethischer Geldanlagen sowie den potenziellen Interessenten muss intensiviert werden. Es bestehe „ein enormes Informationsdefizit bei der Bevölkerung“, heißt es in der Studie. Deshalb seien entsprechende Kommunikationsinstrumente zu entwickeln, um „den Markt besser zu durchdringen“. Frage man nach den Gründen, weshalb ein Anleger noch nicht in ökologische Segmente investierte, werde vor allem genannt, dass man „keine Ahnung habe, wo es sozialökologische Geldanlageformen“ gebe. Zudem bestehe die Schwierigkeit, an zuverlässige Informationen zu gelangen.
Daran könnte sich vielleicht mit Beginn des Jahres 2002 einiges ändern: Das neue Altersvorsorgegesetz bestimmt, dass Anbieter eines staatlich geförderten Rentenprodukts („Riester-Rente“) ihren Kunden offenbaren müssen, ob und wie sie ethische, soziale und ökologische Belange bei der Verwendung der Altersvorsorgebeiträge berücksichtigen. „Es eröffnet sich also die Möglichkeit“, so das imug-Arbeitspapier, im Rahmen der Rentenreform „die privaten Anleger mit Fondsprodukten vertraut zu machen und gleichzeitig bei der Auswahl der im Fonds vertretenen Unternehmen die Grundlagen des ethischen Investments umzusetzen.“ Wer die staatlich geförderte private Rentenversicherung nutzt, kann also durch die Wahl des Versicherers auf ökologische und soziale Unternehmenspolitik Einfluss nehmen. Nachhaltigkeit – promotet vom Staat. ANDREAS LOHSE
Institut für Markt, Umwelt, Gesellschaft (imug), Escherstr. 23, 30159 Hannover, Tel. (05 11) 9 11 15-0, contact@imug.de
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen