Reizobjekt mit starker Wirkung

BGH verbietet erneut Bennetton-Werbung mit HIV-abgestempeltem Hintern

FREIBURG taz ■ Die Benneton-Schockwerbung bleibt vorerst doch verboten. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat gestern entschieden, dass die Werbung mit einem Po, auf dem der Stempel „H.I.V. positiv“ prangt, „sittenwidrig“ ist. Erfolg hatte damit die „Zentrale gegen den unlauteren Wettbewerb“, die gegen die Anzeigenkampagne vorgegangen war.

Das Urteil kommt überraschend, denn erst im Februar dieses Jahres hat das Bundesverfassungsgericht dem BGH eine liberalere Entscheidung nahe gelegt. „Auch das bloße Anprangern eines Missstandes steht unter dem Schutz des Grundgesetzes“, hatten die Verfassungsrichter damals betont. Dagegen erklärte jetzt der BGH, dem Bild des abgestempelten Aidskranken könne „weder eine bestimmte Aussage noch eine bestimmte Absicht“ entnommen werden. Das Foto sei „objektiv gesehen“ lediglich ein „Reizobjekt mit starker Wirkung“.

Für wettbewerbswidrig hält der BGH das Motiv, weil dem Leid einer ausgegrenzten und stigmatisierten Gruppe „Wirtschaftswerbung“ betrieben werde. Dabei werde die Not der Aidskranken „ausgebeutet“, so der Vorsitzende Richter. „Ein Aufruf zur Solidarität mit Menschen in Not ist zynisch und verletzt ihren Anspruch auf Achtung, wenn er mit dem Geschäftsinteresse verbunden wird, die eigenen Umsätze in einem ganz anderen Bereich zu steigern.“ Das Verfassungsgericht hatte dies nur bei der Werbung für ein konkretes Produkt für möglich gehalten. Die Benneton-Fotos waren jedoch als reine Imagekampagne konzipiert. (Az I ZR 284/00)

CHRISTIAN RATH