Senator allein vor Gericht

Gericht schliesst Schill-Opfer von Prozess aus. Anwältin: Schill hat als Richter Straftat schon durch rechtswidrige Inhaftierung begangen  ■ Von Elke Spanner

Innensenator Roland Schill behauptet, die Rechte von Kriminalitätsopfern stärken zu wollen. Wenn aber er selber am kommenden Freitag auf der Anklagebank des Hamburger Landgerichtes Platz nimmt, dürfen im Saal nicht die beiden Männer sitzen, die den Prozess mit ihrer Strafanzeige eingeleitet hatten. Das Landgericht hat es abgelehnt, Matthias R. und Yavuz S. an dem Verfahren zu beteiligen. In deren Abwesenheit wird das Gericht ab dem 14. Dezember darüber verhandeln, ob Schill im Mai 1999 als Strafrichter eine Rechtsbeugung und Freiheitsberaubung begangen hat, als er die beiden Prozesszuschauer in Ordnungshaft nehmen und drei Tage im Gefängnis sitzen ließ.

Hätte die Große Strafkammer 12 den Anträgen der beiden zugestimmt, hätten deren AnwältInnen Beweisanträge stellen, ZeugInnen befragen und Stellungnahmen abgeben können. Auf zwei Wegen hatten sie Prozessbeteiligung beantragt: Durch Adhäsionsklage, was bedeutet, dass sie zivilrechtliche Schadensersatzansprüche im Rahmen des Strafprozesses geltend gemacht hätten. Oder als Nebenkläger: Dann hätten sie die Anklage der Staatsanwalt unterstützt. Das aber ist nur bei bestimmten Delikten möglich. Rechtsbeugung und Freiheitsberaubung sind nicht dabei.

Rechtsanwältin Gabriele Heinecke hatte deshalb für ihren Mandanten Nebenklage für eine Beleidigung durch Schill beantragt: Er habe die beiden Inhaftierten beleidigt, indem er sie „genussvoll schmoren“ ließ und dadurch ihre Personenwürde missachtete. Die Anträge hat das Gericht gestern abgelehnt. Heinecke legt dagegen Beschwerde ein.

Es ist das dritte Mal, dass über das Verhalten des jetzigen Innensenators verhandelt wird. Zwei Mal bereits haben Gerichte festgestellt, dass er damals die Beschwerde von Matthias R. und Yavuz S. gegen die Haft nicht mit der gebotenen Eile bearbeitete – und die Männer aus der linken Szene dadurch fast drei Tage im Gefängnis sitzen ließ. Das Hamburger Landgericht hatte ihn dafür im Oktober vorigen Jahres zu einer Geldstrafe in Höhe von 12.000 Mark verurteilt. Der Bundeesgerichtshof hatte den Fall im September zur erneuten Verhandlung zurückverwiesen: Eine schleunigere Bearbeitung der Haftbeschwerde wäre wünschenswert und auch zumutbar gewesen. Ob die zögerliche Bearbeitung aber strafbar sei, hänge davon ab, ob Schill bewusst die beiden möglichst lange im Gefängnis behalten wollte – was geprüft werden müsste.

Laut Heinecke aber hat Schill nicht erst durch das „Schmorenlassen“ eine Rechtsbeugung begangen. Sie sieht das Delikt schon vorher verwirklicht: Schill hatte die beiden Zuschauer inhaftiert, ohne sofort ein Protokoll mit den Haftgründen zu schreiben. Das aber sieht das Gesetz zwingend vor. Der damalige Richter hätte wissen müssen, dass sein Beschluss somit rechtswidrig war – und trotzdem hatte er die beiden ins Gefängnis gesteckt. „Dazu wird das Landgericht Stellung nehmen müssen“, sagt Heinecke. „Auch wenn wir im Prozess nicht anwesend sind“.