: Wie glaubhaft sind Öko-Gutachten?
Wer ökologisch investieren will, muss zunächst erkennen, welche Unternehmen überhaupt ökologisch arbeiten
Woran erkennt man wahre Umweltengel? Am zertifizierten Umweltmanagementsystem jedenfalls nicht immer. Die Bewertung von Firmen anhand ökologischer Kriterien ist ein komplexer Vorgang, der hohe Anforderungen an die Methoden stellt.
Nur selten stehen den Fachleuten, die Unternehmen bewerten, die Vergleichszahlen zur Verfügung, um die Betriebe in Hinblick auf ihre Umweltleistungen richtig einzuordnen. So basiert zum Beispiel die Einordnung der Unternehmen in der „Nachhaltigkeitsbewertung“ der Bank Sarasin nicht etwa auf der Kenntnis von Durchschnittsleistungen der jeweiligen Branche, sondern nur auf den Daten über Firmen, die sich in der Datenbank befinden. Auch der umweltpolitisch interessanteste Bewertungsansatz, das Rating auf dem Hintergrund der Einschätzung von Umweltzuständen, wird bisher nicht umgesetzt. Denn dazu benötigte man Daten über die Umweltrelevanz einzelner unternehmensbedingter Umweltfolgen, um die Aktivitäten richtig werten zu können.
Mit der im April dieses Jahres in Kraft getretenen neuen EG-Öko-Audit-Verordnung (Emas II) ist den Managern von ethischen Fonds, den Betreuern von ethischen Aktienindizes und Mitarbeitern von Ratingagenturen nun erneut ein Instrument an die Hand gegeben, das sie dankbar als einen einfachen Indikator für die Bewertung von Unternehmen als „ökologisch“ oder „weniger ökologisch“ verwenden. Es steht aber zu befürchten, dass dabei weder die generellen Probleme des Indikators „Umweltmanagementsystem“ (sei es nach ISO oder Emas) noch die mit der Emas-Novelle verbundenen veränderten Anforderungen adäquat verarbeitet wurden.
Grundsätzlich gilt, dass weder ein Emas- noch ein ISO-Standard die durch das Unternehmen anfallenden Umweltbelastungen misst. Die entsprechende Plakette bestätigt lediglich, dass es im Unternehmen allgemeine Vorschriften und Abläufe zum „Management“ von umweltrelevanten Sachverhalten gibt und diese nachgewiesen wurden – zumindest beim Besuch der Auditoren.
Eine von der Europäischen Kommission finanzierte umfassende internationale Studie kam bereits Mitte letzten Jahres zu dem Ergebnis, dass Unternehmen mit einem zertifizierten Umweltmanagementsystem im Hinblick auf ihr tatsächliches Umweltverhalten nicht signifikant besser zu bewerten sind als solche ohne ein derartiges System; in einigen Fällen war ihre „performance“ sogar schlechter.
Da die Studie von sieben europäischen Instituten über sechs verschiedene Branchen und in 430 Produktionsstätten von 280 europäischen Unternehmen durchgeführt wurde, verfügt sie über eine beeindruckende empirische Basis. Trotzdem wurde sie in der „Gemeinde“ der Öko-Rater offensichtlich kaum wahrgenommen und wenig gewürdigt. Der Faktor „Umweltmanagementsystem“ hat in vielen Bewertungen nach wie vor einen hohen Stellenwert, obwohl seine Aussagekraft sehr gering sein kann. Dies steht diametral der Verbrauchererwartung an die Aussagekraft eines Ökoratings gegenüber: Bei einer guten Note im Bereich der Umweltverantwortung nimmt man an, dass sich das Unternehmen auch umweltfreundlicher verhält als andere und nicht nur ein gut klingendes System nachweist.
Mit der Neufassung der Verordnung sind die Probleme eher größer geworden: Die Novellierung der Öko-Audit-Verordnung war geprägt durch das Grundmuster der Deregulierung und zielte darauf, die Teilnahme am Audit durch einen weit gehenden Verzicht auf hohe verbindliche Umweltanforderungen und staatliche Kontrollen attraktiver zu machen. Der DGB kritisierte die Neufassung bereits unüberhörbar als „Öko-Audit light“.
Auch wird die Aussagekraft des Zertifikats durch einen Skandal erschüttert, den der WDR in seiner Sendung „Markt“ aufdeckte: In einem Dokument der für die Zulassung von Umweltgutachtern zuständigen Stelle fand man als Fazit: „Vergleichsweise häufig wurde in den Stichproben festgestellt, dass Umwelterklärungen für gültig gezeichnet wurden, ohne dass alle Anforderungen der Verordnung am Standort als erfüllt gelten konnten. Darüber hinaus wurden sie für gültig erklärt, obwohl vom Gutachter Gesetzesverstöße festgestellt wurden.“
Es können wohl nicht alle „unabhängigen“ Umweltgutachter dem Reiz widerstehen, der von einem gut bezahlten Gefälligkeitsgutachten ausgeht. Und solange sich die Unternehmen „ihren“ Gutachter selbst aussuchen können und er von der Bezahlung durch das kontrollierte Unternehmen lebt, wird die „Kontrolle der Kontrolleure“ ein Hauptproblem dieses Systems bleiben. Bevor dieses Problem nicht gelöst ist, erscheint der Glauben an die Aussagefähigkeit des „Öko-Audits“ als Indikator für ökologische Qualität problematisch. VOLKMAR LÜBKE
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