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Bangen um Naturnovelle

Hektisch versuchen Trittin und das Kanzleramt mehrere SPD-regierte Bundesländer davon abzuhalten, die Novelle des Naturschutzgesetzes zu kippen

BERLIN taz ■ Es ist in den Augen der Bundesregierung eines ihrer wenigen Glanzstücke: Die Novelle des Naturschutzgesetzes. Selbst die sonst so kritischen Umweltverbände loben es einhellig, denn die Regierung setzte sich über die fünfzehnjährige Dauerblockade der Bauernlobby hinweg. Nirgendwo sonst währte der Reformstau so lang. Also stießen die Koalitionspolitiker glücklich an, als die Novelle Mitte November den Bundestag passierte.

Die Sektlaune ist der Sorge gewichen: Mehrere SPD-geführte Bundesländer haben Protest angemeldet. Hektisch mühen sich nach Informationen der taz das Kanzleramt sowie Umweltminister Jürgen Trittin in Einzelgesprächen zu verhindern, dass der Bundesrat das Gesetz am 20. Dezember in den Vermittlungsausschuss zwingt – und damit auf die lange Bank schiebt. Allen voran Niedersachsen und Mecklenburg-Vorpommern: Während Landeschef Sigmar Gabriel sich um seine Großbauern sorgt, die vor allem über die neuen Vorschriften zur „gute fachliche Praxis“ beim Ackerbau erbost sind, hadert Harald Ringstorff mit dem neu geplanten Verbandsklagerecht. Schließlich will er noch den ein oder anderen Autobahnkilometer bauen, möglichst ohne lästige Klagen von Naturschützern. Vor allem der geplante Autobahnanschluss der Ostseeinsel Rügen verstößt nach Ansicht von Naturschützern gegen geltendes Recht.

Auch die nordrheinwestfälische Landeschef Wolfgang Clement (SPD) ist nicht gut auf die Novelle zu sprechen, sorgt sich wie Gabriel um seine Bauern. Doch aus Rücksichtauf den grünen Koalitionspartner wird er sich wohl enthalten.

Die CDU-regierten Bundesländer sind ohnehin gegen die Novelle, offen ist das Verhalten der Länder mit großen Koalitionen: Brandenburg und Bremen. Schlagen sich am Ende zwei der vier kritischen Länder auf die Seite der CDU, dann kommt es zum Vermittlungsverfahren. Das könnte langwierig werden.

Da die Novelle im Kern nicht zustimmungspflichtig ist, ließe sich die Kritik im Prinzip zwar „niederkämpfen und leidlich beherschen“, wie es aus den Regierungsfraktionen heißt. Möglich aber, dass sich der Widerstand verstärkt: Sind zwei Drittel gegen das Gesetz könnte es der Bundesrat theoretisch sogar noch zu Fall bringen. Dazu müßten nur Ringstorff und Gabriel hart bleiben - und die beiden großen Koalitionen oder aber Clement ebenfalls dagegen stimmen. Das gilt zwar als unwahrscheinlich, ist aber eine gute Drohkulisse, um doch noch Kompromisse zu erzwingen.

Wie sich schon am Dosenpfand zeigte, gibt es im Bundesrat eine große Neigung, Trittin auflaufen zu lassen. Manche Grüne argwöhnen bereits, der Bundesrat wolle gar nichts mehr passieren lassen, was von einem grünen Minister stammt. Dafür spricht, dass auch Agrarministerin Renate Künast mit ihren Modulationsgesetz auf Widerstand stößt. Das Gesetz, welches Landwirtschaftsgelder mit Hilfe von EU-Fördermitteln in Umweltschutz umleiten soll, fand vor einem halben Jahr noch die Zustimmung der Agrarministerkonferenz. Inzwischen gilt als sicher, dass der Bundesrat noch ein Vermittlungsverfahren verlangt. MATTHIAS URBACH

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