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Totgesagte spielen länger

Das Polizeiorchester stand bei den Sparklausuren schon häufig auf der Streichliste. Dennoch ist es dem Zapfenstreich bislang stets entgangen. Jetzt wollen SPD und PDS der Big Band ans Leder. Die Musiker kämpfen ein weiteres Mal ums Überleben. Ihre letzte Hoffnung sind die Sozialisten

„Wir sind das Orchester der kleinen Leute“

von PLUTONIA PLARRE

Im Sommer stand die Auflösung des Polizeiorchesters schon schwarz auf weiß im Wahlprogramm der PDS. Aber dann kam der heimliche Vorsitzende, dem ein untrügliches Gespür für populistische Themen nachgesagt wird. „Ihr müsst euch nicht zu allem äußern“, beschwor Gregor Gysi seine Truppe. Es gebe nun mal Menschen, „die Marschmusik mögen“. Prompt wurde die Auflösung des Orchesters aus dem Programm gestrichen. Doch jetzt kommen die Genossen an die Regierung und haben ein Glaubwürdigkeitsproblem.

„Rot-Rot will das Orchester abschaffen.“ Diese Nachricht sorgt in der Polizei für ein mittleres Erdbeben, seit bekannt geworden ist, dass SPD und PDS vollenden wollen, was die Unterhändler der geplatzten Ampel bereits angedacht hatten. Ähnlich wie die Reiterstaffel, die ebenfalls aufgelöst werden soll, ist das Polizeiorchester für die Vertreter in Grün fast eine Ikone.

Die Wurzeln der heute aus 37 studierten Musikern bestehenden Big Band gehen bis ins Jahr 1850 zurück. Damals erschöpfte sich das Repertoire des „Musikkorps der Berliner Polizei“ noch in preußischen Militärmärschen. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde der Musikstil allmählich ziviler. Schlager wie „Das ist die Berliner Luft“ wurden fortan auch auf Großkonzerten im Zoo oder Olympiastadion fürs normale Volk gespielt.

Nach dem Mauerbau übernahm die Polizeiband in Westberlin zusätzlich die Rolle eines Protokollorchesters, das bei Staatsbesuchen die Nationalhymnen schmetterte. Mitte der 60er-Jahre öffnete sich die Truppe der Unterhaltsmusik, vom Musicial über den Swing bis zum Jazz. Damit waren die Berliner Vorreiter für eine Reform der uniformierten Musikszene.

Wenn die Big Band unter etwas leidet, dann unter dem Ruf, ein Relikt aus alten Westberliner Zeiten zu sein. „Alle Bundesländer haben ein Polizeiorchester“, klagt Peter Feigel. Der 36-jährige Dirigent, der die Gruppe seit 1999 leitet, ist maßlos verärgert über „die vielen Vorurteile, nicht nur, weil mein Arbeitsplatz daran hängt“. Rom leiste sich ein Polizeimusikkorps mit 120 Mann, in Paris musizieren 60 Uniformierte. „Und Deutschland soll kein Metropolenorchester haben?“

Schon nach dem Mauerfall war die Gruppe von 60 auf 37 Musiker abgespeckt worden. Mitte der 90er-Jahre stand das Orchester bei den Sparklausuren wieder auf der Streichliste. Nun rettete der Gesamtpersonalrat die Kapelle. Er akzeptierte, dass in einem anderen Bereich der Polizei 37 unbesetzte Stellen gestrichen wurden. „Damit ist das Orchester bezahlt“, versucht der Landesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei, Eberhard Schönberg, nun die neuerlichen Begehrlichkeiten abzuwehren.

Das Problem ist nur: 2002 fehlen der Stadt 10 Milliarden Mark – ein Viertel des Gesamthaushalts. Angesichts solcher Summen nimmt sich der Jahresetat des Polizeiorchesters von 2,9 Millionen Mark zwar wie Peanuts aus. Trotzdem müssen Prioritären gesetzt werden. Mit 2,9 Millionen Mark pro Jahr könnten etwa zehn Kinderbauernhöfe finanziert werden.

Doch den Vorwurf, das Orchester sei Luxus, weist Dirigent Feigel empört zurück. Die Band sei ein wichtiger Werbe- und Sympathieträger für das Land Berlin. Mit regelmäßigen Konzerten in der Philharmonie bei Eintrittspreisen von 15 bis 20 Mark pro Karte „sind wir das Orchester der kleinen Leute“. Denn bei den Philharmonikern kostet das Ticket mindestes 60 Mark. Auch bei Seniorenveranstaltungen und in Schulen tritt die Band auf. Vor Schülern spiele man meistens im Rahmen des Anti-Gewalt-Programms des Landeskriminalamts, betont Feigel. „Das Programm soll weiter intensiviert werden.“ Die internationale Sprache der Musik und die multikulturelle Besetzung – in dem Orchester spielen Musiker aus 14 Nationen – helfe, Berührungsängste gegenüber der Polizei abzubauen, ergänzt GdP-Chef Schönberg.

Den grünen Sicherheitsexperten und Nochjustizsenator Wolfgang Wieland überzeugt das allerdings wenig. „Man kann die Aufmerksamkeit der Schüler auch anders erringen als dadurch, ein ganzes Orchesters auftreten zu lassen“, sagt er. Auch die SPD-Innenpolitikerin Heidemarie Fischer meint: „Es ist dringlicher, die Polizei mit Computern auszustatten.“

Ganz so einfach ist es aber nicht. Bis mindestens 2004 kann kein einziger der 37 Musiker entlassen werden, weil bis dahin die Beschäftigungsgarantie gilt. Für die hauptberuflichen Musiker gebe es keine andere Verwendung bei der Polizei. „Dann kann man sie gleich weiterspielen lassen, statt sie auf den Überhang zu setzen“, meint GdP-Chef Schönberg.

Darauf spekuliert auch Dirigent Feigel. Zusammen mit dem amtierenden Polizeipräsidenten arbeitet er an einem Konzept, das es der Band ermöglichen soll, durch eine bessere Vermarktung kostenneutral zu wirtschaften. Bislang fließen alle Einahmen aus Karten- und CD-Verkäufen in den Landeshaushalt.

Die große Hoffnung ruht nun auf der PDS. Schließlich steht dank Gysi nichts von der Streichung in ihrem Wahlprogramm. GdP-Chef Schönberg hat schon ein Treffen mit den Postsozialisten verabredet. Die Frage ist nur, ob der Genosse Gregor daran teilnimmt.

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