: P wie politische Prozesse
Über die Möglichkeiten von Rat und Parlament, schneller zu Entscheidungen zu kommen
Wie kann die EU arbeitsfähig bleiben, wenn künftig fast dreißig Regierungschefs sich einig werden müssen? Diese zentrale Frage hatten sich die Mitgliedsstaaten für den Gipfel von Nizza vor einem Jahr als Arbeitsauftrag verordnet, beantwortet wurde sie dort nicht. Nun muss der Konvent nachbessern. Er wird sich damit leichter tun, denn die geplante Reform nimmt nur einer der im Konvent vertretenen Gruppen Macht weg: den nationalen Regierungen.
Drei Elemente sind es, die den schwerfälligen Entscheidungsapparat auf Trapp bringen können: ,ehr Mitentscheidung fürs Europäsche Parlament, nur noch in Ausnahmefällen Einstimmigkeitszwang im Rat, mehr verstärkte Zusammenarbeit in einzelnen Politikbereichen. Bereits in Nizza hat das Europäische Parlament gefordert, dass alle Fragen, die nicht einstimmig im Rat entschieden werden müssen, automatisch vom Europäischen Parlament kontrolliert und abgesegnet werden sollten. Nur so könne die demokratische Kontrolle gewährleistet werden. Dieses so genannten Mitentscheidungsverfahren gilt bislang nur für einige Politikbereiche wie zum Beispiel Umwelt- und Verbraucherschutz. Bei der Agrarpolitik, die fünfzig Prozent des EU-Budgets ausmacht, wird das Parlament zwar angehört, es kann die Ratsentscheidungen aber nicht beeinflussen. In Nizza wurden nur wenige zusätzliche Politikfelder ausgesucht, bei denen künftig im Rat mit qualifizierter Mehrheit statt einstimmig entschieden wird. Die Mitentscheidungsmöglichkeiten des Parlaments wurden nicht erweitert. Das Verfahren für verstärkte Zusammenarbeit wurde erleichtert, doch die Hürden hängen noch immer hoch, wenn eine kleine Gruppe von Ländern die Integration schneller vollziehen will als die gesamte Union.
Gelingt es dem Konvent nicht, für diese drei Schlüsselfragen überzeugende Antworten zu finden, wird die EU nach der ersten Erweiterungsrunde ein schwerfälliger und intransparenter Koloss sein, der auf die rasant sich ändernden politischen Erfordernisse im Schneckentempo antwortet. Die in den aus fast dreißig Ministern bestehenden Fachräten nicht mehr zu klärenden Fragen werden zweimal im Jahr den Gipfeln der Staats- und Regierungschefs zugeschoben. Die müssen sich mit einer immer länger werdenden Liste komplizierter Detailfragen herumschlagen und finden für die großen gemeinsamen Themen der Außen- und Sicherheitspolitik keine Zeit mehr.
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