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Staatsanwälte im weißen Kittel

ÄrztInnen erklären Brechmittel grundsätzlich für legitim  ■ Von Elke Spanner

Hamburgs MedizinerInnen begeben sich jetzt selber auf die Suche nach einer Methode, mit der tatverdächtigen Drogendealern verschluckte Beweismittel entlockt werden können. Zwar betont die Hamburger Ärztekammer, dass Beweissicherung staatliche Aufgabe ist und „nicht zu einem Konfikt zwischen ärztlichem Handeln und staatlichen Maßnahmen führen soll“. Statt aber die medizinische Mitwirkung daran zu verweigern, schlägt der Verband vor, Tatverdächtigen anstelle von Brechmitteln „Abführmittel wie Bittersaft zu verabreichen, die diesen über mehrere Stunden als einziges Getränk angeboten werden“. Die „Hamburgische Landestelle gegen die Suchtgefahren“ bietet an Brechmitteleinsätzen beteiligten ÄrztInnen sogar an, „ein fachliches Forum zur Verfügung zu stellen, um ihnen einen angemessenen Raum für die Suche nach Alternativen zu geben“.

Tatverdächtige durch Nahrungsmittelverweigerung zum Trinken von Abführmitteln zu zwingen, ist für die Ärztekammer eine „politische Lösung“. Die soll darin liegen, dass dabei keine direkte körperliche Gewalt angewendet werden muss wie beim Fixieren einer Person, um durch die Nase eine Sonde in den Magen einzuführen. Denn allein dagegen richtet sich die ÄrztInnenkritik: „Unter ärztlichen Gesichtspunkten ist die Vergabe von Brechmitteln gegen den Willen des Betroffenen nicht zu vertreten.“ Kein Problem hat der Berufsverband hingegen damit, wenn die Tatverdächtigen zum Trinken des „mexikanischen Sirup“ gebracht werden und dabei eine ärztliche Aufsicht sowie eine „qualifizierte Notfallbereitschaft“ vorhanden ist.

Auch die „Landesstelle gegen die Suchtgefahren“, der Verband von Suchthilfeträgern, hat Brechmitteleinsätze als grundsätzlich „legitime Beweissicherung“ bezeichnet und Vorschläge zur medizinischen Absicherung gemacht. Diese Erklärung hat der Vorstand aber nicht mit den Verbandsmitgliedern abgesprochen. Einige sind entsetzt. Wer Brechmitteleinsätze akzeptiere oder gar propagiere, obwohl dabei in der vorigen Woche der 19-jährige Achide J. ums Leben kam, nehme Tote für die Beweissicherung bewusst in Kauf: „Die Propagandisten und Mitläufer einer solchen Politik zerstören aus unserer Sicht den Humanismus als eine zentrale Grundlage dieser Geschellschaft“, schreiben die Vereine Palette, Die Brücke und freiraum in einem offenen Brief an die Landesstelle. „Sie etablieren stattdessen reaktionäre Methoden – man kann auch von politisch verordneter Folter im weißen Kittel sprechen – wie wir es aus Regimes unter anderem in Lateinamerika kennen.“

Der Verein Jugendhilfe erinnerte gestern daran, dass der Einsatz von Brechmitteln bei mutmaßlichen Dealern keinen der rund 14.000 Drogenabhängigen in der Stadt vom Konsum abhalten würde. „Auch unter diesem Gesichtspunkt ist er nicht zu vertreten.“

Das findet jetzt auch der GAL-Bürgerschaftsabgeordnete Manfred Mahr, der Brechmitteleinsätze im Juni noch selbst akzeptiert hatte. Der Tod von J. aber habe eine völlig neue Entscheidungsgrundlage geschaffen, befindet Mahr. Er hat eine kleine Anfrage an den Senat eingereicht, in der er auf den angeblich veränderten gesellschaftlichen Diskurs verweist.

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