: Rüsten für den Frieden?
AM ENDE DES KRIEGES (2): Die Bundeswehr ist für friedenssichernde Missionen zu schlecht ausgestattet. Wer das von ihr verlangt, muss sie entsprechend modernisieren
Viele Pazifisten und die meisten Grünen ziehen inzwischen den olivgrünen Helm fester: Sie unterstützen Friedenseinsätze der Bundeswehr in Afghanistan. Die militärische Führung ächzt über diesen Auftrag: Die Bundeswehr habe die Grenze ihrer Leistungsfähigkeit erreicht. Stimmt das? Und sind die Soldaten gerüstet für ihre neuen Aufgaben? Das sind Fragen, mit denen sich nun auch Linke und Alternative befassen müssen, wenn sie sicher sein wollen, dass die Bundeswehr für den Frieden einsetzbar ist. Sowohl an der grünen Spitze wie auch an der Basis muss militärpolitische Kompetenz anders definiert werden, als es die pazifistische Tradition der Friedensbewegung bislang vorschrieb.
Nach Afghanistan werden voraussichtlich 1.000 bis 1.200 Soldaten der Bundeswehr entsandt.Ausgerüstet ist die Truppe unter anderem mit Kampfpanzern vom Typ „Leopard 2“, dem Schützenpanzer „Marder“ und wohl auch einigen Transportpanzern vom Typ „Fuchs“. All diesen Fahrzeugen ist eines gemein: Sie sind für konventionelle Landkriege konstruiert worden und zum Teil überaltert. Für Afghanistan wären moderne und wendige Fahrzeuge vonnöten. Beispiel „Leo“: Die über zwei Meter dicke Schottpanzerung kann zwar kaum durchschossen werden. Die so genannte Überlebensfähigkeit der Panzerbesatzung ist daher überaus hoch – aber auch nur, solange das 60-Tonnen-Gefährt nicht auf eine moderne Antipanzermine fährt. Von unten ist die Besatzung nämlich nicht ausreichend geschützt.
Dieses Problem ist weder neu noch spektakulär. Konzipiert für den schnellen Bewegungskrieg aus der Verteidigung heraus, musste sich die alte Bundeswehr nicht mit einem Gelände wie in Afghanistan auseinander setzen: felsig, von Schluchten zerschnitten, freie Flächen großräumig vermint. Im „klassischen“ Kriegsszenario des Ost-West-Konfliktes dienten Minen dazu, Stellungen zu sichern oder Geländeabschnitte zu sperren und zu überwachen. Das völlig unsystematische Verseuchen ganzer Landstriche mit Minen unterschiedlichster Bauart ist eine neue Herausforderung.
Auch die vergleichsweise modernen „Fuchs“-Panzer, die zuletzt als „rollende Labore“ (ABC-Spürpanzer) im Einsatz gegen Chemiewaffen Furore machten, bieten bislang keinen ausreichenden Schutz vor Minen.
Auch leichte Waffen sind ein für UN-Missionen typisches Problem. Versprengte terroristische oder gewaltbereite Gruppen, wie sie auch in Afghanistan anzutreffen sein werden, verfügen meist kaum über weit reichende Waffen, die Kampfpanzern gefährlich werden könnten. Die Geschosse der Panzerfäuste, die gern in die Kamera gehalten werden, fliegen höchstens 300 Meter weit. Angesichts dieser kurzen Reichweite erscheint es bei UN-Einsätzen vertretbar, auf überdimensioniertes Gerät wie den „Leo 2“ zu verzichten und lieber wendige Fahrzeuge einzusetzen. Denn mit moderner Optiklassen sich selbst meilenweit entfernte, versteckte Kämpfer leicht erkennen. Kleine wendige Fahrzeuge mit wenig Trefferfläche können den Panzerfäusten daher leicht ausweichen oder die Schützen bekämpfen.
Der Spähwagen mit dem Namen „Gepanzertes Transportkraftfahrzeug“, im Bundeswehrjargon kurz „Fennek“, wäre ein solches Fahrzeug. Leicht gepanzert und leicht bewaffnet ist es ausgelegt für Transporte, Erkundungen und Streifenfahrten. Für Einsätze in schwierigem Terrain oder gar in Ortschaften und Städten wie in Afghanistan wäre der „Fennek“ also gut geeignet. Er verfügt zwar nicht einmal über den Bruchteil der Vernichtungskraft eines „Leopard“. Dafür schützt er aber vor Handfeuerwaffen und gegen Minen. Nur: Die Bundeswehr besitzt bislang keinen, er soll erst gekauft werden.
Doch verlassen wir das Schlachtfeld der gepanzerten Fahrzeuge und widmen wir uns dem einzelnen Soldaten. Ausgerechnet die US-Army führt vor, welche „persönliche Ausrüstung“ Soldaten brauchen, die in Szenarien wie Afghanistan eingesetzt werden sollen. Bis zu 50 Kilogramm Gepäck schleppen die US-Soldaten auf dem Rücken. Mit dieser Last soll der einzelne Soldat in der Lage sein, längere Strecken durch unwegsames Gelände zu Fuß zurückzulegen und sich verteidigen können. Des Rätsels Lösung sind nicht allein hartes Training und Disziplin – die Tragegestelle der GIs haben mit den Rucksäcken der Bundeswehr nichts gemein. Letztere taugen für 30-Kilometer-Märsche durch deutsche Mittelgebirge. Für wochen- oder monatelange Einsätze in schwierigem Terrain ist diese Ausstattung nicht sonderlich empfehlenswert. Die Diskussion um eine ordentliche Ausstattung des einzelnen Soldaten kann sich nicht darauf beschränken, ein „Kommmando Spezialkräfte“ mit allem auszustatten, was der Markt zu bieten hat, während der einfache „Stoppelhopser“ sich mit schlabbernden Gurten und drückendem Gepäck abfinden muss.
Die Leistungen des „Kommandos Spezialkräfte“ mögen rein militärisch anzuerkennen sein. Für politische Entscheidungsträger muss jedoch die Frage im Vordergrund stehen: „Brauche ich so etwas für meine politischen Ziele?“ Französische oder britische Einheiten verfügen über gleiche oder ähnliche Fähigkeiten. Dem Reden über europäische Arbeitsteilung in Verteidigungsfragen sollte nicht länger im Wege stehen, dass die Deutschen in allen Disziplinen mit den Verbündeten gleichziehen wollen. Zu einer neuen Armee gehören schließlich Sanitäter und per Flugzeug transportierbare Lazarett-Container sowie moderne Transporteinheiten der Marine (die der Bundeswehr weitgehend fehlen). Sie bilden die Basis, auf der sich militärisch-humanitäre Einsätze auf Dauer glaubwürdig vertreten lassen. Die Qualität des Bundeswehr- Sanitätsdienstes ist weltweit führend. Kaum eine andere Armee verfügt über Operationssäle in Containern, die schnell an fast jeden Ort der Welt transportiert werden können – vorausgesetzt es sind genug Transportmöglichkeiten vorhanden. Die aber fehlen. Das Transportflugzeug Transall genießt zwar fast den legendären Ruf der „Tante Ju“, dem alten Junkers-Flugzeug aus dem 2. Weltkrieg – doch Legenden reichen nicht, um Krisen zu bewältigen.
Die Grünen müssen, wollen sie wehrpolitisch eine ernsthafte Alternative auch zu ihrem Koalitionspartner bieten, langfristige Rüstungsprojekte wie die Beschaffung des „Fennek“ planen und vertreten. Sie müssen das „Durchwursteln“, das bisher alle Parteien kennzeichnet und die Bundeswehr zunehmend veralten lässt, beenden und die Armee definieren, die sie einsetzen wollen. – Die Grünen als Paten einer neuen Bundeswehr?! Sie müssen erkennen, dass Helfer in Tarnanzügen erst zur Hilfe befähigt werden müssen. Das Motto des Kalten Krieges „Frieden durch Rüstung“ wird abgelöst durch „Rüstung für Friedensmissionen“. Ein schaler Beigeschmack haftet beidem an. Doch eine Umstrukturierung der Streitkräfte ist nur mit klaren politischen Vorgaben möglich – und der Bereitschaft, diese konsequent zu Ende zu denken.
ROLAND BÖSKER
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