: Justizkrankenhaus Eppendorf
UKE-MedizinerInnen lehnen Beteiligung an Brechmittel-Einsätzen ab. Ärztekammer fordert Rücknahme der Dienstanweisung ■ Von Elke Spanner
AnästhesistInnen des Universitätskrankenhauses (UKE) weigern sich, an gewaltsamen Brechmitteleinsätzen gegen tatverdächtige Drogendealer mitzuwirken. 57 MedizinerInnen protestierten gestern gegen eine Dienstanweisung des ärztlichen Direktors Hans Dieter Jüde, in der sie zur Notfallbereitschaft bei Brechmitteleinsätzen aufgefordert werden. Ohne die Mitwirkung von AnästhesistInnen müsste die Polizei künftig auf diese Zwangsmaßnahme verzichten, die der „Beweissicherung“ von Drogen dienen soll. Nach dem Tod eines 19-jährigen Mannes in der vergangenen Woche hatte der Senat verfügt, an Brechmitteleinsätzen festzuhalten – aber zur Vermeidung weiterer Todesopfer NotfallmedizinerInnen mitwirken zu lassen.
Insgesamt sind in der Abteilung für Anästhesie des UKE 98 MitarbeiterInnen beschäftigt. Da viele aber bereits im Weihnachtsurlaub sind, stellen die 57 ProtestlerInnen laut dem Sprecher der Hamburger Ärztekammer Wolfram Scharenberg die „überwiegende Mehrheit“ dar. Da-rüber hinaus protestiert ein großer Teil der am UKE beschäftigten Krankenschwestern und -pfleger in einem gesonderten Schreiben gegen die medizinische Mitwirkung an den Zwangsmaßnahmen. Sie bitten den ärztlichen Direktor des UKE, seine Dienstanweisung zu überdenken „und sich dafür einzusetzen, dass in der Öffentlichkeit mit dem Namen unseres Universitätsklinikums medizinische Maßnahmen unter Zwang oder Anwendung von Gewalt nicht weiter verbunden werden“.
Jüde war gestern nicht für eine Stellungnahme zu erreichen. Die Ärztekammer hat ihn inzwischen aufgefordert, die Dienstanweisung zurückzunehmen und auf gewaltsame Brechmitteleinsätze in seiner Klinik ganz zu verzichten. Kein Mediziner dürfe gezwungen werden, dabei Hilfe zu leisten, betont Sprecher Scharenberg. Der Vorstand der Ärztekammer hatte Anfang der Woche Brechmittelvergaben auf einer Sondersitzung grundsätzlich zugestimmt, das gewaltsame Einflößen des „mexikanischen Sirup“ über eine Magensonde aber abgelehnt. Den Senat forderte er gestern ein weiteres Mal auf, eine „politische Lösung“ zu suchen, die nicht zu einem Konflikt zwischen ärztlichem Handeln und staatlichen Maßnahmen führt.
Wie es zu dem Tod des 19-jährigen A. kam, ist noch immer nicht geklärt. Tatsache ist, dass er schwere Hirnschäden infolge eines Sauerstoffmangels erlitt. Es besteht der Verdacht, dass die an dem Gewalteinsatz beteiligten ÄrztInnen A. nach seinem Herzversagen zu lange unbehandelt liegen ließen, ehe sie Notfallmaßnahmen ergriffen. Allerdings wurden bei der Obduktion auch Verletzungen der Luftröhre festgestellt – die darauf zurückzuführen sein könnten, dass die Magensonde bei einem der mehreren Versuche, sie einzuführen, fälschlich in die Luftröhre gelangte.
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