: Bewährung für Hennemann
Überraschend mildes Urteil des Bremer Landgerichts gegen die drei angeklagten Manager des Bremer Vulkan-Konzerns. Begründung: Sie hätten „auf ihre Weise“ nur das Beste gewollt. Verteidigung will trotzdem in die Berufung gehen
aus Bremen KLAUS WOLSCHNER
„Mein Mandant verlässt das Gericht als freier Mann“, meinte Hennemann-Verteidiger Hanns Feigen gestern nach der Urteilsbegründung im Bremer Landgericht. Immerhin war das Gericht mit dem Strafmaß – zwei Jahre Gefängnis – so weit unter der Forderung der Staatsanwaltschaft geblieben, dass die Strafe auf Bewährung ausgesetzt werden konnte. Dennoch ist das Urteil dem Verteidiger „nicht gut genug“, er will vor dem Bundesgerichtshof in Revision gehen.
Bewährungsauflagen gibt es keine besonderen – die drei angeklagten Vulkan-Vorstandsmitglieder, allesamt im Rentenalter, seien durch den langen Prozess, die „Zerstörung ihres Lebenswerkes“ und die finanziellen Folgen des erwarteten zivilrechtlichen Verfahrens genug bestraft, meinte der Vorsitzende der Strafkammer, Eduard Scotland: „Ihr Lebensabend ist allen Angeklagten gründlich vergällt worden.“
Das Gericht sah es als erwiesen an, dass Friedrich Hennemann, Günter Smidt und Johannes Schnüttgen eine „Vermögensbetreuungspflicht“ für die Gelder hatten, die ihnen die Treuhand bei der Übernahme der maroden Werftbetriebe in Wismar und Stralsund gezahlt hatte. Als der Vulkan-Verbund 1995 in die Krise kam, hätte der Konzern aus seinem Cash Management 854 Millionen Mark an die beiden Ostwerften zurückzahlen müssen – was er nicht konnte. Dass die Gelder nicht „jederzeit“ für sie bereit standen, sondern für Defizite westlicher Vulkan-Betriebe draufgingen, habe der Vorstand seit 1993 bewusst in Kauf genommen.
Im Frühjahr 1996 hatte dann Konkursverwalter Jobst Wellensiek mit dem Spruch „Das Geld ist weg“ die Bemühungen um die Rettung des Konzerns beendet.
Überraschend war bei der Urteilsbegründung, dass das Gericht dem Vorstandsvorsitzenden Hennemann „keine herausragende Rolle“ zusprach. Die Entscheidungen seien gemeinsam getroffen worden. Einmal habe einer der anderen Angeklagten der EU-Wettbewerbskommission falsche Auskunft gegeben. Das ganze Jahr 1994 habe der Vulkan-Verbund mit den Ost-Millionen jongliert, um seine Finanzierungslücken zu schließen und gleichzeitig „saubere“ Berichte nach Brüssel liefern zu können.
Dass die damalige Treuhand-Chefin Birgit Breuel das Cash-Management mit den Ost-Millionen trotz der bekannten schwierigen Lage im Schiffbau genehmigt habe, kritisierte der Richter nicht: Breuel habe ja nicht ahnen können, dass die Gelder nicht nur für die kurzfristige Liquiditätsplanung auf ein gemeinsames Konto kommen sollten, sondern zur Abdeckung von Verlusten verbraucht werden könnten. Allerdings hätte „die Treuhand die Bonitat des Vulkan kritischer verfolgen sollen“.
Das Hauptargument der Verteidigung, in den Vertragsverhandlungen sei nicht über eine „Vermögensbetreuungspflicht“ geredet worden, ließ das Gericht nicht gelten. Die habe „sich von selbst verstanden“. Der einzige Zweck der Privatisierung seien die Fortführung der Werft und die Sicherung von Arbeitsplätzen gewesen. „Eine Betreuungspflicht folgt daraus, dass die Treuhand öffentliche Gelder aufgewendet hat.“ Für „jeden seriösen Kaufmann“ sei dies die „einsichtige Folge aus den Privatisierungsverträgen“. Allerdings sei den Angeklagten nicht „Untreue zum Nachteil der Treuhand“ vorzuwerfen, sondern „Untreue zum Nachteil der Ostwerften“.
Dass nicht die Geschäftsführer der Ost-Gesellschafter verurteilt wurden, die das Geld in den Westen auf die Konten des Vulkan-Konzerns überwiesen haben, begründete der Richter am Rande der Verhandlung damit, die seien hier ja nicht angeklagt gewesen. Gegen sie laufen parallel Verfahren. Die Bremer Rechtssprechung könnte, wenn sie übernommen wird, erhebliche Folgen haben. Ob die Geschäftsführer der Stralsunder und der Wismarer Werftbetriebe eine Chance gehabt hätten, ihre Zustimmung zu verweigern, wurde nicht untersucht.
Das geringe Strafmaß und die Aussetzung zur Bewährung begründete das Gericht zum Schluss noch einmal mit „massiven Strafmilderungsgründen“. die Angeklagten hätten „auf ihre Weise um das Überleben des Vulkan gekämpft“. Schließlich hätte „die Rückführung der Gelder die Bremer Werften in Gefahr gebracht“ – die dem Vorstand sicher mehr am Herzen gelegen hätten als die Ost-Betriebe.
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