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un-afghanistantruppeDestruktives Deutschland

Selten hat die deutsche Außenpolitik ein so hässliches Bild abgegeben wie in den Diskussionen über die UN-Schutztruppe für Afghanistan. Deutschland lehnte die Führungsrolle ab – fuhr aber zugleich eine Kampagne gegen Großbritannien, als sich herausstellte, dass die Truppe unter britischem Kommando stehen soll.

Kommentarvon DOMINIC JOHNSON

Die Bundesregierung findet zu Recht nichts Schlimmes daran, internationale Militäreinsätze auf dem Balkan zu führen – der Naziterror liegt mehr als ein halbes Jahrhundert zurück und gilt im Zweifelsfall als Grund, sich jetzt gerade zu engagieren. Doch gleichzeitig bemängelt man in Berlin, dass die Briten in Afghanistan aufgrund der Kolonialkriege des 19. Jahrhunderts historisch vorbelastet seien. Und um das zu belegen, laufen deutsche Journalisten durch Kabul und suchen Afghanen, die ihnen den Wunsch nach deutschen Soldaten in den Block diktieren. Per Agenturmeldungen wurde zudem eine Woche lang die Erwartung geschürt, ein UN-Sicherheitsratsbeschluss stünde unmittelbar bevor – lange bevor auch nur ein Entwurf existierte. Die unvermeidliche Verzögerung wurde dann auf britisches Querschießen zurückgeführt.

Wie zu erwarten war: Diese bizarre Diplomatie blieb erfolglos. Großbritannien hat sich durchgesetzt und führt das Afghanistankommando nach seinen Vorstellungen. Also nur für drei Monate, nicht für sechs, und auch die von Schröder geforderte strikte Trennung zwischen UN-Truppe und US-britischer Militäroperation wird es nicht geben.

Nun, da die Bundesregierung doch 1.200 Soldaten unter britischem Kommando nach Afghanistan schicken will, wären konstruktive Vorschläge für die deutsche Rolle dort angebracht. Zum Beispiel müsste die Bundesrepublik als Gastgeber bei den Petersberger Gesprächen Einfluss auf die afghanische Übergangsregierung nehmen, die heute in Kabul ihr Amt antreten soll. Nicht zufällig warnen die Hilfsorganisationen dringend: Erst regierten die Taliban, heute regiert das Chaos.

Es ist absurd: Eine afghanische Regierung, die ihre Handlungsfähigkeit erst noch beweisen muss und komplett vom Ausland finanziert wird, will der internationalen Gemeinschaft vorschreiben, was deren Soldaten etwa zur Sicherung ausländischer Lebensmittelhilfe tun dürfen. Wenn die Afghanen so viel Respekt vor den Deutschen haben, wie es manche deutsche Journalisten und Politiker weismachen, müsste Berlin hier einwirken können.

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