: Zankapfel Arafat
Israels Regierung verweigert dem Palästinenserchef einen Besuch der Weihnachtsfeierlichkeiten in Bethlehem. Der will hin – notfalls zu Fuß
JERUSALEM taz ■ Ein hoher Beamter des US-Außenministeriums hat der israelischen Regierung nahe gelegt, Palästinenserführer Jassir Arafat an den Weihnachtsfeiern in Bethlehem teilnehmen zu lassen. Sollte Israel sich nicht dazu durchringen, müsse Washington offiziell Stellung nehmen. Mit nur einer Stimme Mehrheit war bei einer telefonischen Umfrage Samstagnacht die Kabinettsentscheidung gefallen, Arafat müsse in Ramallah interniert bleiben.
In einer weiteren Verhärtung seiner Position nannte Premier Ariel Scharon gestern den letzte Woche erneut in die Schlagzeilen geratenen Friedensplan von Außenminister Schimon Peres „illusorisch, schädlich und gefährlich“. Das Blatt Jedioth Acharonoth hatte gestern weitere Details und Landkarten publiziert, die Peres am vergangenen Mittwoch präsentiert hatte.
Er habe Peres nie grünes Licht gegeben, erklärte Scharon gestern. Falls es nach einem totalen Waffenstillstand zu Verhandlungen käme, werde er sie „persönlich leiten“. Auf die von der israelischen Bevölkerung erleichtert aufgenommene Verständigung zwischen der Islamistenorganisation Hamas und der Palästinenserbehörde, nach der das Hamas-Versprechen der Einstellung von Selbstmordanschlägen in Israel mit Aussetzung von Verhaftungen gewürdigt werden soll, reagierte Scharon empört. Terror gegen Siedler und Soldaten würde so legitimiert.
Scharon demonstriert Härte in einer Zeit, in der die Palästinenserbehörde erste Erfolge im eigenen Anti-Terror-Kampf vorzeigen kann. Die Problematik dieses Kurses führt nicht nur zu Spannungen zwischen Scharon und dem moderaten Arbeitspartei-Koalitionspartner, sondern wird auch teilweise im Rechtslager verstanden. Jeder weiß, dass Scharon den Schatten Benjamin Netanjahus hinwegzuboxen versucht. Netanjahus Rückkehr ist aber keinesfalls der Traum des gesamten nationalen Lagers.
Jitzhak Levy, Chef der rechtsoppositionellen Nationalreligiösen Partei, wies auf die mit jeder israelischen Demütigung wachsende Relevanz Arafats hin, der von der Regierung vor zwei Wochen offiziell für „irrelevant“ erklärt worden war. Im Kern aller Debatten steht die Imagefrage: wird Arafats Image aufgewertet, wenn er nach Bethlehem darf, oder nicht? Leidet Israels Ruf mehr, wenn man kleinlich ist oder öffentlich nachgibt? Arafat versicherte auch gestern, er werde sich auf alle Fälle nach Bethlehem begeben – notfalls zu Fuß. Sein Image kann nur gewinnen, selbst wenn er nicht ankommt.
ANNE PONGER
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen