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Computer und Rentner

Einblick in eine Jugendwohnung für Flüchtlinge, die Geld und Hilfe brauchen  ■ Von Kaija Kutter

Mittwoch früh, elf Uhr. Hamat öffnet die Tür im Unterhemd. Beim Blick ins gemeinsame Wohnzimmer wird klar, warum. Er bügelt gerade sein einziges weißes Hemd. „Ich muss gleich zum Kellnern“, entschuldigt er sich in perfektem Deutsch. Hamat ist mit 14 aus Af-ghanistan geflohen. Weil er inzwischen volljährig ist, wird er die Jugendwohnung bald verlassen.

Hanna bringt Kaffee und Marzipan, das ebenso wie der Tannenbaum in der Ecke noch von Weihnachten kündet. Ein Junge kommt rein, bietet uns seine Brötchen an. Er heisst Alpa, kommt aus Burkina Faso. Hanna aus Äthiopien. Wie sie nach Deutschland kam? „Mit einem anderen, aber der ist jetzt nicht mehr da.“

Es dauert, bis die Jugendlichen die Geschichte ihrer Flucht erzählen, erklärt uns die später hinzukommende Betreuerin Ines Karrenbauer. Sie ist seit zehn Jahren in der Jugendwohnung der Arbeiterwohlfahrt beschäftigt, hat schon mehrere Generationen kommen und gehen sehen. Ihre Sorge: es fehlt an Geld, um den Jugendlichen ein würdiges Leben mit Perspektive zu bieten. Karrenbauer: „Oft kommen sie noch nicht mal mit ihren Lebensmitteln zurecht“. Jeder der acht kocht für sich, hat einen eignen Kühlschrank. 410 Mark Sozialhilfe haben die jungen Asylbewerber im Monat, den abgesenkten Satz. Dazu 30 Mark pro Jahr für Schulbedarf. So wird jede Brille und jede Zahnbehandlung zum Problem. Nicht mal Kleidergeld steht ihnen zu. Sie sollen sich, so sieht es das Gesetz vor, mit gebrauchten Textilien kleiden.

Hanna hat gerade Ferien. Sie will nach ihrem Realschulabschluss Stewardess werden, „aber das geht wohl nicht“, glaubt sie. Ihr fehlen Sprachkenntnisse und fester Aufenthalt. Alpa strebt ein Fachabitur in Informatik an, aber hat es erstmal aufgegeben: „Ich bräuchte mehr Übung mit dem Computer.“

Minderjährige Flüchtlinge erhalten nur eine Minimalbildung. Ein Modul von zwei Jahren, das sie zum Realschulabschluss befähigen soll. Der Weg zu einem Beruf ist ihnen meist von der Sozialgesetzgebung versperrt. Denn sowie eine Ausbildung formal Bafög-förderungfähig ist, entfällt die Sozialhilfe. Bafög gibt es für Flüchtlinge in der Regel nicht, ebenso wenig wie eine Arbeitserlaubnis, die für eine Lehre nötig ist.

„Die Jugendlichen wollen am liebsten statt Sozialhilfe eigenes Geld verdienen“, sagt Ines Karrenbauer. Doch außer Hamat, der in Eppendorf kellnert, und einem weiteren haben die übrigen elf aus der Jugendwohnung noch den Asylbewerberstatus, der ihnen nur erlaubt, zwei Stunden am Tag zu arbeiten.

Morgen um 20 Uhr werden Künstler im Schmidts Tivoli ein Benefiz-Konzert für die Lokstedter Jugendwohnung geben (taz berichtete). Im Vorjahr waren so schon einmal 19.000 Mark zusammengekommen. „Wir brauchen nicht nur Geld, wir brauchen auch Leute, die helfen“, sagt Karrenbauer. Jemand, der ehrenamtlich Computerkurse gibt oder Nachilfe. So wie die nette Rentnerin, jeden Dienstag kommt.

Kontakt: Tel.: 58 91-73 61.

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