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Sehen, riechen, schmecken

Auf dem „Marktplatz für Genießer“ treffen sich Anbieter von Flensburg bis Freiburg, 15 Bundesländer sind vertreten. Sie präsentieren das QS-Zeichen, das „Qualität und Sicherheit“ bei konventionell erzeugtem Fleisch gewährleisten soll

Das sinnliche Erlebnis ist eines der stärksten Argumente für Wochenmärkte

von TILMAN VON ROHDEN

Mobilität und Globalisierung bestimmen zunehmend das tägliche Leben. Techniken wie das Internet machen es den Menschen möglich, vom heimischen Schreibtisch aus die weite Welt virtuell zu besuchen und fremde Länder und Kulturen kennen zu lernen. Selbst die landesspezifischen kulinarischen Angebote kommen so in die Stube, auch wenn sie nur das Hirn, nicht jedoch den Magen bezaubern können.

Die Kehrseite von sich objektiv auflösenden Landesgrenzen ist das steigende subjektive Bedürfnis nach Verortung, um die Entgrenzung erträglich zu halten: Begriffe wie Vertrautheit, Heimat und Region kehren zurück – selbst in der Küche. Die regionale Herkunft der Produkte und die Regionalität überlieferter wie neuer Rezepte erfahren bei vielen Verbrauchern deshalb eine spürbare Renaissance. Dabei spielt es kaum eine Rolle, ob es um die häusliche Küche geht, die Gastronomie oder um die Verpflegung im Rahmen von Veranstaltungen und Events.

Der Trend zur regionalen Küche ist aber ebenso in einer wesentlich älteren Gedankenfigur verankert. Nämlich in der Idee, dass die Heimaterde und deren landwirtschaftliche Erzeugnisse die je wertvollste seien. In früherer Zeit war dies unmittelbar einsichtig, denn Versorgungskrisen ließen sich, wenn überhaupt, über Jahrhunderte nur lokal in die Bahnen lenken, da kaum ein Gebiet nennenswerte agrarische Exportüberschüsse produzieren konnte.

Die Internationale Grüne Woche hat seit Jahrzehnten eine regionale Schiene, die von den Bundesländern in Zusammenarbeit mit dem Bund bestückt wird. Das diesjährige Motto der Länderschau heißt „Marktplatz für Genießer – Schmeck die Vielfalt der Regionen“. Die Ausstellung wird wie in jedem Jahr von der CMA, der Centralen Marketing-Gesellschaft der deutschen Agrarwirtschaft, organisiert. Das Unternehmen mit Sitz in Bonn beschäftigt rund 150 Mitarbeiter, die sich um ein gemeinsames Marketing für deutsche Agrarprodukte im In- und Ausland kümmern.

In Halle 20 treffen sich Produzenten und Vermarkter landwirtschaftlicher Erzeugnisse von Flensburg bis Freiburg. Bis auf das Saarland ist jedes Bundesland vertreten. Die Besucher sind eingeladen, sich über die Spezialitäten aus ganz Deutschland zu informieren und sie zu probieren.

Sehen, riechen, schmecken. Der Einkauf von Lebensmitteln bedeutet oft mehr als nur der Erwerb von Nahrungsmitteln. Insbesondere auf den zahlreichen Märkten im ganzen Land wird das breite Sortiment von Lebensmitteln als Genuss präsentiert, wenn nicht zelebriert. Das sinnliche Erlebnis dürfte eines der stärksten Argumente für Wochenmärkte sein, denn Schauen und Probieren heißt deren Devise. Sie gilt auch für die Grüne Woche, insbesondere für Halle 20, die in diesem Jahr wie ein Wochenmarkt organisiert ist.

Neben dem Naschen steht dieses Jahr erstmalig ein Infotainment-Angebot, mit dem neue Besucherkreise, insbesondere Jugendliche und junge Erwachsene angesprochen werden sollen. Dagegen ist das bekannte CMA-Kochstudio wohl eher etwas für die reiferen Charaktere. Im Kochstudio verraten prominente Gäste Messebesuchern ihre Tipps und Tricks aus ihrem ganz persönlichen Küchenbrevier. Und mit etwas Glück lassen sie sich auch das eine oder andere Familiengeheimnis entlocken, das aus jedem Gericht, aus jeder regionalen Spezialität etwas Einzigartiges macht.

Der Kauf von Lebensmitteln ist mehr als Erwerb von Nahrung

In die Töpfe lassen sich insbesondere die Grünen schauen: Renate Künast, Claudia Roth, Steffi Lemke, um nur einige zu nennen, haben sich angesagt. Viele weitere prominente Köche sind nach den Prognosen vergangener Jahre zu erwarten, doch scheinen nähere Informationen im Schneegestöber stecken geblieben zu sein: Es wurden bis Redaktionsschluss kaum weitere Namen gehandelt.

Der CMA geht es in diesem Jahr besonders um das QS-Zeichen, das für Qualität und Sicherheit vom Feld bis zur Ladentheke bei Lebensmitteln bürgen soll. Es wurde unter der Federführung der CMA von allen beteiligten Erzeugern der verschiedenen Produktions- und Vertriebsstufen entwickelt.

QS beinhaltet ein System zur Qualitätssicherung und -kontrolle von konventionell erzeugtem Fleisch oder Fleischerzeugnissen. Alle Schritte von der Geburt über die Schlachtung, Zerlegung und Verarbeitung bis zu Transport und Lagerung sollen mit einbezogen sein. Transparenz auf allen Stufen der Herstellung soll so erreicht werden. Zudem soll die Herkunft von Rohstoffen rückverfolgbar sein. Verbraucherinteressen sollen bereits bei der Festlegung der Anforderungen an QS-geprüfte Produkte in einem Umfang berücksichtigt werden, der gesetzliche Bestimmungen übersteigt. Das Engagement der Beteiligten wird sicher seine Wirkung beim Verbraucher nicht verfehlen – bis zum nächsten Fleischskandal.

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