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„Da kann man nicht Püppi spielen“

Frauen sind auch Menschen, hat die Bundeswehr nach einem Jahr mit Frauen in ihren Reihen gelernt. Scharping ist zufrieden. Die Rekrutinnen bemühen sich gute Soldaten Komma weiblich zu werden – durch Anpassung an männliche Umgangsformen

von HEIDE OESTREICH

Bootsmann, Schütze, Gefreiter, Fähnrich. Nach den Namensschildern zu schließen sind Frauen bei der Bundeswehr nach wie vor unerwünscht. Mit 50 Soldaten Komma weiblich, so die offizielle Bezeichnung der Frauen beim Bund, zog Verteidigungsminister Rudolf Scharping gestern Bilanz: Vor genau einem Jahr öffnete die Truppe alle Laufbahnen für Frauen.

Soldaten, weiblich, sind natürlich durchaus willkommen, dafür hat die Bundeswehr ja extra auf mehreren Expertisen basierende Integrations- und Sensibilisierungsseminare durchgeführt und die Ausgehuniformen um Ausgehröcke erweitert. Das aber, was das Stereotyp gern mit weiblichem Verhalten verbindet, hat tatsächlich bei der Truppe keine Chance: „Da kann man nicht die Püppi spielen“, stellt eine Unteroffizierin kurz fest, und alle anderen applaudieren. Man müsse alles mitmachen, als Ausbilderin immer vorwegmarschieren, „nicht so pingelig sein“. Kommen im zivilen Leben Frauen durchaus weiter, wenn sie Schwäche zeigen und auf Hilfe von Männern setzen – bei der Bundeswehr, davon sind die Soldatinnen überzeugt, muss man sich von dieser Strategie verabschieden. „Wenn eine signalisiert ‚ich bin schwach‘, hat sie keinen Spaß, da muss man sich nicht wundern,“ erklärt eine Unteroffizierin. Alle anderen betonen ebenfalls verdächtig oft, dass man Persönlichkeit haben müsse: ohne extrem sicheres Auftreten ist die Frau beim Bund verloren. „Sprüche über Frauen kommen jeden Tag,“ erklärt eine, „wenn man sich die zu Herzen nimmt, geht man kaputt.“ Das war es aber keinesfalls, was 20 der rund 2.000 Rekrutinnen zum Aufgeben brachte, meint der Verteidigungsminister: „Da ging es nur um persönliche Gründe“. Angesichts eines laufenden Vergewaltigungsprozesses könnte er damit allerdings leicht verharmlosend klingen (siehe Text rechts).

Die Frauen bei der Bundeswehr sind offenbar einen Großteil ihrer Zeit damit beschäftigt, möglichst wenig „weiblich“ zu wirken. Deshalb kämen sie auch nie auf die Idee, sich über frauenfeindliche Sprüche zu beschweren: „Da kann man nicht immer gleich zum Vorgesetzten rennen“, erläutert Unteroffizierin Kuhlmann den weiblichen Komment bei der Truppe. „Für jeden blöden Spruch habe ich inzwischen die passende Antwort parat“, beschreibt ihre Kameradin Alexandra Ebeling die adäquate Strategie.

Die Rekrutinnen waren damit im vergangenen Jahr so erfolgreich, dass es meistens die Vorgesetzten waren, die sich angesichts ihrer neuen Klientel umguckten. All ihre mühsam antrainierten sensiblen Verhaltensweisen werden von den Damen gar nicht abgefragt: Bloß keine Sonderbehandlung. Statt Ausgehröcken wollen sie lieber Hosen, dass bei ihnen lange Haare und Schmuck toleriert werden, bei Männern aber nicht, sei ungerecht. Verteidigungsminister Scharping ist hocherfreut und gelobt Besserung „solange sich nicht auch die Männer schminken sollen“.

Niemand wünsche eine „quotale Schutzfunktion“, fasst Scharping zufrieden zusammen. Übrig bleiben bei dieser Interpretation Probleme, wie sie auch Zivilistinnen das Leben schwer machen: Was tun mit den Kindern? Wie passt eine Schwangerschaft in eine vierjährige Verpflichtung beim Bund? Kann man die Dienste flexibilisieren? Über diese Dinge wird das Ministerium sich in den nächsten Tagen Gedanken machen. Darüber hinaus kann die Bundeswehr wohl weiter davon ausgehen, dass die Frauen alles tun werden, um sich den männlichen Gepflogenheiten anzupassen. „Nach einer Weile merken die dann, dass wir auch Menschen sind“, beschreibt eine Soldatin den Lernprozess ihrer männlichen Kameraden. Oder doch eher: Soldat Komma weiblich.

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