: Verstehen, fühlen, begreifen
„Das Kind isst den Apfel“, „Himmelherrgottsakrament !“ und „Baby, Baby, wo ist unsere Liebe“: Wie man in einer Ausstellung des Goethe-Instituts in der Flaschenbierabteilung der Kulturbrauerei die deutsche Sprache entdecken kann
Sie war in Bratislava, sie war in Brüssel, sie war in Bukarest. Herzliche Grüße! Jetzt ist sie in Berlin. „Deutsch entdecken“ kann man ab heute in einer Ausstellung des Goethe-Instituts in der Kulturbrauerei in Prenzlauer Berg. Gegenstand der Sprachschau ist die deutsche Sprache selbst. In drei farblich voneinander abgesetzten Stationen kann man „Deutsch verstehen“, „Deutsch fühlen“ und „Deutsch begreifen“. Auf drehbaren Vierecken sind im blauen Pavillon die Stationen der Sprachentwicklung von der ersten Rune bis zu Günther Grass in Wort und Bild dargestellt. Ein Stammbaum stellt die Verwurzelung des Deutschen in der indoeuropäischen Sprachfamilie dar. Aus einem Kopfhörer summen die Zahlen von eins bis zehn in Sanskrit, Gotisch und weniger abgelegenen Sprachen.
Die wichtigsten Verben werden präsentiert: ess-en, trink-en, schlaf-en. Auf einem Monitor laufen Ausschnitte von Literaturverfilmungen: links Goethes Faust, rechts Fontanes Effi Briest. Per Touchscreen-Menu kann man umschalten. Szenenwechsel. Thomas Brussigs „Helden wie wir“ flimmert vorüber. Der Generalsekretär bekommt gerade eine Blutspende. Daneben einfache Satzbeispiele: Die Frau sieht die Rose. Das Kind isst den Apfel. Die Frau trinkt das Wasser. Tja. Dabei sind wir in den Räumen der ehemaligen Flaschenbierabteilung. Ansonsten werden hier alle Sinne angesprochen. Besonders im roten Pavillon, wo knapp über Kopfhöhe Lebkuchenherzen mit Zuckergusssprüchen baumeln: „Herzliche Grüße“, „Ich liebe dich“, aber auch: „www.goethe.de“. Per Knopfdruck leuchten Flüche und Schimpfwörter auf: „Himmel, Arsch und Donnerwetter! Himmelherrgottsakrament! Depp! Trottel! Heulsuse!“
Schade, dass es an dieser Stelle keine O-Töne gibt. Prominente Deutsche lachen, grinsen, schmunzeln: Boris Becker neben Romy Schneider, Claudia Schiffer neben Michael Schumacher. Worüber? Zwischen ihnen ulkt auf einem Monitor Loriot mit einer Nudel an der Backe.
Gegenüber, im gelben Haus, kann man sich dagegen am Sprach-Glücksrad versuchen: Grüß di? Moin Gott? Moment, gleich haben wirs: Pfüat di, Grüß Gott und Moin, moin! Und es geht noch internationaler. Per Kopfhörer gibt’s eine alte Derrick-Folge je nach Gusto auf Japanisch, Chinesisch oder in anderen exotischen Zungen. Wer jetzt noch nicht für die deutschen Kulturstandorte begeistert sein sollte, der höre sich unter der Rubrik „Sing’s auf Deutsch“ teutonische Versionen klassischer Popsongs an. Wenn die Supremes „Baby, Baby, wo ist unsere Liebe“ hauchen, kann man nicht mehr anders: Diese Sprache möchte man endlich auch richtig können. Genau das ist das Ziel, bestätigt Prof. Dr. Leonhard, Generalsekretär des Goethe-Instituts. Schüler und Studenten in aller Welt sollen für die deutsche Sprache und Kultur begeistert werden. Dieses Ziel hat man an den bisher 32 Ausstellungsorten in ganz Europa auch schon erreicht. Mehr als 280.000 Besucher wurden seit Beginn der Tournee im letzten Jahr gezählt.
Bewusst präsentieren die Ausstellungsmacher nicht die „dornigen Seiten“ des Deutschlernens, sondern setzen auf die Entdeckerfreude, den Spieltrieb und moderne mediale Gewohnheiten. Abgesehen davon, dass die vorbildliche internationale Arbeit des Goethe- Instituts nun vorgestellt wird, möchte man mit der Präsentation hierzulande speziell den deutschen Schülerinnen und Schüler mal wieder – Pisa lässt grüßen – die eigene Sprache etwas näher bringen.
Angesichts des verstaubten Deutschunterrichts an unseren Schulen dürfte die Ausstellung wohl auf jeden Fall Anregungen bieten, wie man es besser machen kann. ANSGAR WARNER
Bis 17. 2., Mo. – So. 13 – 21 Uhr, Kulturbrauerei, Knaackstraße 95, Prenzlauer Berg
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