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„Zu Gast“ bei Jassir Arafat

Die palästinensische Autonomiebehörde lässt den Chef der radikalen PFLP festnehmen. Ihm wird die Planung des Mordes an dem israelischen Tourismusminister vorgeworfen. Scharon glaubt nicht an die Verhaftung. Demonstrationen in Ramallah

aus Jerusalem SUSANNE KNAUL

Einen „Gast für zwei Tage“ hat Palästinenserpräsident Jassir Arafat den Chef der „Volksfront für die Befreiung Palästinas“ (PFLP), Achmad Saadat, genannt. Mit dieser Klausel hofft er offenbar, die Aufregung über die Verhaftung Saadats am Dienstagabend zu beruhigen. Vor dem Büro des Palästinenserführers in Ramallah, wo Saadat festgehalten wurde, fanden wiederholt Protestdemonstrationen von Anhängern der PFLP statt.

Saadat sei überrumpelt worden, hieß es. Man habe ihm zugesagt, dass er nicht verfolgt werde. Der PFLP-Chef nahm, Berichten zufolge, gerade an einem Treffen der politischen Führung teil, als er verhaftet wurde. Mitglieder der Partei nannten die Inhaftierung einen „zynischen Missbrauch“ der Teilnahme Saadats an dem politischen Treffen.

Seit Monaten fordert Israel nicht nur die Verhaftung Saadats, sondern auch seine Auslieferung. Kurz vor Weihnachten gab Israels Ministerpräsident Ariel Scharon bekannt, dass er Arafat die Ausreise aus Ramallah verweigern werde, solange die Mörder des israelischen Tourismusministers Rechawam Seewi, der im vergangenen Oktober erschossen wurde, auf freiem Fuß sind. Saadat gilt als einer der Planer der Operation.

Die PFLP hatte die Verantwortung für den Mord an Seewi übernommen, mit dem der Tod des ehemaligen Parteichefs Abu Ali Mustafa gerächt werden sollte. Mustafa war im August einem gezielten israelischen Raketenangriff zum Opfer gefallen. Mohamad Dahlan, Chef der palästinensischen Präventiv-Sicherheit in Gaza, erklärte vor Journalisten, dass eine Auslieferung Saadats an Israel nicht in Frage käme.

Im Büro des Ministerpräsidenten bestehen Zweifel an der Ernsthaftigkeit der Inhaftierung. Scharon sprach von einer „fiktiven Verhaftung“. Der Sprecher des Ministerpräsidenten, Raanan Gissin, erklärte vor Journalisten: „Ich glaube es nicht, bevor ich ihn hinter Gittern sehe.“ Die israelische Regierung hält für möglich, dass zwischen Saadat und der Palästinenserführung Absprachen getroffen wurden, um so eine Aufhebung der Reisebeschränkungen für Arafat zu bewirken. Israel fordert indes die Verhaftung von drei weiteren PFLP-Aktivisten, die für den Mord Seewis mitverantwortlich sein sollen.

Politische Beobachter vermuten, dass Arafat mit der Verhaftung Saadats eine Eskalation der Gewalt verhindern will und ein Signal nicht nur an Israel, sondern auch an die palästinensischen Bewegungen sendet. Nach der Exekutierung eines militanten Fatah-Aktivisten in Tulkarem kündigten die Aktivisten der „Al-Aksa-Brigade“ eine Wiederaufnahme des gewaltsamen Widerstandes an. Die palästinensische Führung hält offiziell an dem derzeitigen Waffenstillstand fest und hofft auf eine Fortsetzung der Mission des US-Abgesandten Anthony Zinni.

Für einen „Akt ohne jede Rechtsgrundlage“ hält der Anwalt Raji Sourani vom Menschenrechtszentrum in Gaza die Verhaftung Achmad Saadats. „Es gab weder eine Anklage, noch befindet sich Saadat im Gefängnis.“ Die Verhaftung eines Führers der PFLP, die Gründungsmitglied der PLO ist, sei in der palästinensischen Geschichte ohne Beispiel, meint der Anwalt. Wenn man internationales Recht in Bezug auf den Mord an dem israelischen Tourismusminister geltend machen wollte, müsste man auch die Hintermänner des Mordes an Mustafa zur Verantwortung ziehen. Sourani, der selbst Mitglied der PFLP ist, glaubt indes nicht, dass seine Partei drastische Maßnahmen gegen die palästinensische Führung unternehmen wird. „Wir werden versuchen, Saadat auf dem Rechtsweg zu helfen.“

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