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Widersprüchliche Lobbyisten

In dieser Woche wird der Bundestag das neue Urhebervertragsrecht verabschieden. Verleger, Filmproduzenten und TV-Sender hoffen noch auf den Kanzler und die SPD-Ministerpräsidenten

von CHRISTIAN RATH

Warum ist die Bundesregierung eine Gefahr für „Was bin ich?“, „Die Wache“ oder „Alarm für Kobra 11“? Das fragten sich die Fernsehzuschauer in der Woche vor Weihnachten. Damals blendeten Pro 7, Sat.1 und RTL bei vielen selbst produzierten Sendungen den Hinweis ein: „Die privaten TV-Sender warnen: Die geplante Änderung des Urhebervertragsrechts durch die Bundesregierung gefährdet diese Sendung.“

Viele Zuschauer waren verwirrt. Wer mehr wissen wollte, wurde auf weiterführende Videotexttafeln und Internetseiten verwiesen – und wurde auch nicht schlauer. Dafür ging Constantin-Chef Bernd Eichinger („Vera Brühne“, „Die Nebel von Avalon“) sogar so weit, den TV- und Filmproduzenten die kollektive Auswanderung nach Österreich ans Herz zu legen.

Denn selten war eine Lobby-Kampagne so widersprüchlich wie diejenige gegen das Urhebervertragsrecht, das in dieser Woche im Bundestag beschlossen wird. Die Reform dient dem Schutz der freiberuflichen Urheber, die von Verlagen, TV-Sendern und sonstigen Verwertern endlich „angemessen“ bezahlt werden sollen. Das schaffe „Rechtsunsicherheit“, warnten die Verwerter. Es sei ein Eingriff in die Vertragsfreiheit, wenn Journalisten, Fotografen, Autoren und Übersetzer nachträglich ihre Verträge vor Gericht überprüfen lassen können.

Neutrale Schlichtung

Diese Unsicherheit will aber auch Justizministerin Herta Däubler-Gmelin (SPD) vermeiden. Deshalb sollen Urheber und Verwerter gemeinsam „Vergütungsregeln“ aushandeln. Wenn keine Einigung zustande kommt, legt ein neutraler Schlichter die angemessenen Vergütungen fest. So wird zwar Rechtssicherheit garantiert, doch wieder warnen die Verwerter: Es sei „verfassungswidrig“, den Verlagen und Sendern solche Kollektivverträge „abzupressen“. Tatsächlich wollen Verlage und Sender alles beim Alten lassen, es passt ihnen einfach nicht, wenn ihre freiberuflichen und meist wirtschaftlich schwachen Verhandlungspartner gestärkt werden.

Däubler-Gmelin hat sich bisher aber nicht beirren lassen. Deshalb wird das Gesetz am Freitag wohl im Kern wie geplant verabschiedet. Im Herbst hatte die Ministerin taktisch allerdings den Buchverlagen einige Zugeständnisse gemacht (vgl. taz vom 21. 11. 2001). Die Verlage hatten Angst vor unkalkulierbaren Nachforderungen von Autoren und Übersetzern bei überraschenden Bestsellern.

Jetzt rufen die Buchverleger aber laut „Wortbruch“, weil seit Ende letzter Woche eine neue „Formulierungshilfe“ des Justizministeriums vorliegt. Zwar sind die dort seit November vorgenommenen Änderungen eher redaktioneller Natur, dennoch haben 230 Verleger und der Börsenverein des Deutschen Buchhandels sofort einen offenen Brief an Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) geschrieben. Dieser hat bis dato allerdings seiner Justizministerin den Rücken gestärkt. Zu maßlos wirkten bisher die Vorwürfe von Verlagen und TV-Sendern. Am Dienstag wird der Medienausschuss des Bundestags beraten, am Mittwoch der Rechtsausschuss. Das Plenum entscheidet am Freitag.

Offen ist der Kampf um das neue Urhebervertragsrecht nur noch wegen der unklaren Haltung der SPD-Ministerpräsidenten im Bundesrat. Vor allem Wolfgang Clement (NRW) und Sigmar Gabriel (Niedersachsen) haben sich bisher an der Seite der Verleger engagiert. Zwar muss der Bundesrat der Reform nicht zustimmen, doch wenn die Länderkammer nach einem gescheiterten Vermittlungsverfahren mit Zweidrittelmehrheit gegen das Gesetz Einspruch erhebt, müsste auch im Bundestag eine Zweidrittelmehrheit erzielt werden, um das Vorhaben durchzusetzen. Auf diesen eher unwahrscheinlichen Fall hoffen nun Verleger und TV-Sender.

„KeineAbstriche“

Von Länderseite wird derzeit das Gerücht gestreut, die Reform werde zwar im Bundestag in geplanter Form beschlossen, damit Däubler-Gmelin das Gesicht wahren kann. Allerdings werde bereits über ein Einlenken im Vermittlungsausschuss verhandelt. „Da ist nichts dran“, heißt es dazu im Justizministerium, „wir sind auf keinen Fall bereit, Abstriche zu machen.“

Verlage und TV-Sender werden einstweilen weiter gegen das Vorhaben agitieren. In ihren eigenen Medien – es kostet sie ja nichts.

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