: „Wenn du was verändern willst, geh in die Politik“
Die Arzthelferin Felecnas Uca (25) aus dem niedersächsischen Celle sitzt für die PDS im Europaparlament. Ihre Erfahrungen sind positiv
taz: Sie sind seit 1999 für die PDS im Europaparlament. Damals waren Sie 23 Jahre alt. Wie sind Sie zur Politik gekommen?
Felecnas Uca: Über meinen Vater. Der sagte immer, wenn du etwas verändern willst, dann musst du selber in die Politik. (lacht) Ja, und das habe ich dann getan. Und so kandidierte ich, die gelernte Arzthelferin, bereits 1998 für die Bundestagswahlen. Hier war ich sowohl Kandidatin für die Landesliste Niedersachsen, das Wahlgebiet des Kanzlers, als auch Direktkandidatin in Celle. Ein Jahr später, also 1999, wurde ich auf dem Parteitag der PDS in Suhl auf den 5. Listenplatz gewählt. Ohne die Unterstützung meiner Eltern hätte ich das nicht geschafft.
Seit zweieinhalb Jahren pendeln Sie als Abgeordnete zwischen Ihrem Wahlkreisbüro in Celle, dem Parlament in Brüssel und Straßburg. Wie lange haben Sie gebraucht, um sich mit den Strukturen der europäischen Ämter und der Arbeit mit den internationalen Kollegen vertraut zu machen?
Ich habe mich relativ schnell in die Strukturen und in den Bürokratiedschungel des Europäischen Parlaments eingearbeitet. Bei dieser internationalen Zusammenarbeit, bei der die Nationalität keine Rolle spielt, lernt man ungemein viel. Hier lernt man, ohne Vorbehalte aufeinander zuzugehen, und gewinnt so ein weltoffenens, tolerantes Weltbild. Schwierig wird es nur bei den informellen Sitzungen, die auf Englisch verlaufen.
Wo befinden Sie sich innerhalb der PDS?
Mittendrin! Ich bin zwar seit 1998 Mitglied der PDS, aber ich bin auch Mitbegründerin des PDS-Kreisverbandes Celle. Wir sind gerade dabei, die Strukturen der PDS in Celle auf- und auszubauen. In letzter Zeit haben wir einige Anfragen von Bürgerinnen und Bürgern bekommen, die mehr Informationen über die PDS haben möchten und auch Mitgliedsanträge gestellt haben. Das freut mich besonders, denn die PDS im Westen ist noch immer mit Vorurteilen behaftet. Deshalb sind mir neben der europäischen Politik die aktive Politik und die regelmäßige Bürgernähe in Celle sehr wichtig.
Hat die PDS im Gegensatz zu den Grünen noch einen Nachholbedarf, was Kandidaten mit Migrationshintergrund anbelangt? Und wenn ja: Sehen Sie sich dabei als Missionarin?
Nein, „Missionsarbeit“ musste und muss ich innerhalb der PDS nicht leisten. Die PDS ist offen für Kandidaten ausländischer Herkunft. Das kann man doch an mir sehen. Ich habe nicht das Gefühl, dass die PDS, anders als die Grünen, noch einen Nachholbedarf hat, was das angeht. Wir haben ja auch einige Mandats- und Funktionsträger innerhalb der PDS, die aus anderen Ländern kommen.
Warum spricht Sie gerade die PDS so an?
Die PDS ist die einzige Partei Deutschlands, die gegen Kriegs- und Militäreinsätze der deutschen Bundeswehr ist. Deshalb vertrete ich sie. Außerdem bin ich davon überzeugt, dass die PDS im Vergleich zu den anderen Parteien im Deutschen Bundestag die besten Konzepte und Programme für Migranten hat. Hier wird man sehr ernst genommen.
Was sind Ihre Arbeitsschwerpunkte, und an welchen aktuellen Projekten arbeiten Sie?
Seit zweieinhalb Jahren vertrete ich die PDS im Ausschuss für Recht und Binnenmarkt. Hier arbeite ich im Bereich Verbraucherschutz. Im Kulturausschuss für Jugend, Kultur und Bildung, Medien und Sport konzentriere ich mich auf die europäische Bildungs- Jugend und Medienpolitik. Zudem arbeite ich in der parlamentarischen Delegation „EU- Türkei“ mit und bin Vizepräsidentin der interparlamentarischen Gruppe „Antirassismus und Fremdenfeindlichkeit“. Aber ich werde in diesem Jahr meine Ausschüsse wechseln; dazu hat jeder EU-Abgeordnete nach einer gewissen Zeit das Recht. Die nächsten Jahre werde ich den Rechten der Frau im Ausschuss für Jugend, Kultur und Bildung widmen. Und im Ausschuss für Entwicklung und Zusammenarbeit werde ich meine Schwerpunkte Menschenrechte und Flüchtlingspolitik, Integrations-, Gleichstellungs- und Diskriminierungspolitik sowie die EU-Erweiterung/Türkei weiter ausbauen. Und zu guter Letzt arbeite ich noch per Fernstudium an meinem Abitur.
Was wünschen Sie sich für die Zukunft?
Die letzten zweieinhalb Jahre im Europäischen Parlament waren für mich sehr wichtige Jahre. Durch meine Wahl konnte ich mich für die Sorgen und Nöte der Menschen einsetzen. Für die Zukunft möchte ich weiterhin „24 Stunden“ meine Stimme für benachteiligte, diskriminierte, unterdrückte und heimatlose Menschen und für Demokratie und Rechtsstaatlichkeit erheben.
INTERVIEW: SEMIRAN KAYA
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