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Tierhalterlose Tierhandlung

Wahrheit-Reporter vor Ort: Zoofachgeschäfte erschließen neue Absatzmärkte

„Wir wollen keine Fische kaufen. Ich komme mit meinem Sohn hierher, um zu entspannen“

„Die sind ja crazy.“ Gudrun Brand drückt begeistert mit beiden Händen den gelben Bierhumpen aus Gummi. Aus der weißen Schaumkrone lugt eine lila Maus hervor und quietscht. „Das hat es früher alles nicht gegeben“, sagt sie dann gedankenversonnen und wühlt weiter im Regal voller Körbe mit kleinen Fußbällen und bunten Plastikhanteln.

„Zoohaus Ottensen“ im Hamburger Einkaufszentrum Mercado, Abteilung Tierspielzeug. „Ich habe keine Tiere“, sagt Gudrun Brand und untersucht einen gelben Beißring. „Ich mache aus solchen Gegenständen Skulpturen, indem ich sie zusammenbinde oder zusammenklebe.“ Eine Künstlerin? „Ich bin gelernte Illustratorin und Grafikerin“, sagt sie und streichelt einen Fastfood-Hamburger aus Plüschfell. „Ich mache diese Figuren, um mein Hausfrauenleben ein bisschen amüsanter zu gestalten.“

Ein Korb mit gerupften Hühnern und kleinen leblosen Ferkeln. Nur wer sie berührt, fühlt, dass sie nicht echt sind. Ein paar Meter weiter Regale voller Säcke in allen Größen mit Streu, Sand, Heu und Holzspänen – Auslegeware für jedes Tier. Die blonde Saskia Vernickel weiß, was sie will: „Ich kaufe Streu“, sagt sie forsch. „Ich schenke meinem Freund eine Schatzkiste. Dafür bemale ich einen alten Schuhkarton, fülle ihn voll mit Streu und verstecke darin kleine Päckchen.“ Neben den Strohsäcken schauen aus einer Kiste rote Zipfelmützen in allen Größen heraus. Gartenzwerge für jeden Geschmack. Links daneben steht eine drehbare Säule mit Fachliteratur: Tipps und Ratschläge für Tierhalter.

Frau M. blättert, ihr jüngerer Freund guckt ihr über die Schulter. „Mein Goldener Retriever fühlt sich wohl“, steht auf dem Umschlag. Haben die beiden einen? „Nein, wir hätten aber gern einen Goldenen Retriever. Diese Hunde sind total kinderlieb“, sagt Frau M. „Komm Schatz, wir müssen gehen“, ihr Freund wird unruhig. „Kinder haben wir nicht“, sagt Frau M. nachdenklich. „Lass uns gehen, Schatz“, Herr O. guckt genervt. „So um die 2.000 Mark muss man für so ein Tier zahlen. Wir suchen schon nach Züchtern im Internet“, erzählt Frau M. Herr O. guckt hilfesuchend zum Ausgang: „Komm, wir müssen los.“ Frau M. schlägt eine weitere Seite auf, lacht und zeigt auf ein Foto: „Hier klettert einer auf einen Berg. Der müsste aber auch an den Strand. Da müsste er durch.“ Herr O. marschiert los. Seine Frau legt das Buch weg und folgt ihm. Am anderen Ende des Geschäfts gedämpftes grünes Licht. Hier riecht es modrig. Ein Dutzend Aquarien ist aufeinander gestapelt. Davor blicken Vater und Sohn versonnen in ein Becken. Kleine helle Fische mit schwarzen Streifen flitzen im Wasser hin und her. „Wir wollen keine Fische kaufen. Ich komme einfach samstags mit meinem Sohn hierher, um mich zu entspannen“, sagt der Mann. Sein 12-Jähriger drückt sich schon am nächsten Glaskasten die Nase platt.

Neben den Wasserbecken gibt es aufgerollte Aquarienhintergründe zu kaufen: Folien mit Südseefischen, Korallen und kristallblauem Wasser. Die Wasserwelten werden pro Meter verkauft. Die korpulente Frau im grünen Mantel mit strengem Pferdeschwanz sucht aber etwas anderes. „Dies ist zu locker“, sagt sie ärgerlich. „Dann müssen sie was rumbinden“, sagt die Verkäuferin. Das schwarze Röhrchen passt nicht auf den dicken grünen Schlauch. „Ich versuche es“, sagt die Frau im Mantel. „Wollen Sie den dünnen oder den dicken Schlauch?“ – „Ich nehme beide.“ Die Verkäuferin holt ihren Zollstock, misst und schneidet ihr zwei Schläuche à 20 Zentimeter zurecht. Die Frau eilt zur Kasse. Jetzt hat sie alles für ihren selbst gebauten Zimmerspringbrunnen.

USCHI BEHRENDT

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