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Wahlspenden zahlen sich aus

Rund 75 der 100 US-Senatoren erhielten Zuwendungen des Energiekonzerns Enron. Sie revanchierten sich mit entsprechenden Gesetzen

Bush hat seine guten Beziehungen zur Privatwirtschaft nie verborgen

aus Washington MICHAEL STRECK

George W. Bush spielt Opfer. Vor kurzem noch hatte sich der US-Präsident gerühmt, den Wahlkampf 2000 überwiegend mit Privatspenden geführt zu haben und nun will er von „Kenny Boy“ nichts mehr wissen. Dutzfreund Kenny, alias Kenneth Lay, nahm vorgestern seinen Hut als Chef des texanischen Energiekonzerns Enron, den er Anfang Dezember in die größte Firmenpleite der amerikanischen Geschichte gesteuert hatte.

George W. Bush steht auf dem Podium in einer Maschinenfabrik im Kohlerevier von West Virginia, gibt sich als Freund des kleinen Mannes und schimpft auf seinen einstigen Gönner. Der hätte sogar seine Schwiegermutter betrogen, die 8000 Dollar verlor, weil die Enron-Aktien nun kaum noch einen Cent wert sind. Dass er selbst eine halbe Million Dollar von Enron als Spenden erhalten hat, erwähnt er nicht.

Stattdessen holt Bush aus zu einem verbalen Schlag gegen die anlaufenden Enron-Untersuchungen im Kongress. Dieser solle sich besser um die wirklichen Probleme des amerikanischen Volkes kümmern, schließlich befinde man sich im Krieg.

Doch in Washington brodelt es. Es geht um viel Geld, Einflussnahme und dubiose Telefonate von Regierungsmitgliedern. Es wird angeklagt, untersucht und reichlich spekuliert. Seit vorgestern ist auch bekannt, dass Enron kurz vor der Pleite noch stapelweise Akten durch den Reißwolf schickte. Das FBI ermittelt.

Zehn Kongressausschüsse befassen sich mittlerweile neben dem Justizministerium und der Börsenaufsicht mit dem Fall. Sie sollen vor allem Licht in das Dunkel der Beziehungen zwischen dem Unternehmen und dem politischen Establishment in Washington bringen, klären ob und welchen Einfluss Enron auf Entscheidungen im Weißen Haus genommen hat, inwieweit die Bush-Regierung vorab über die nahe Pleite informiert war und welche Konsequenzen aus dem Fall gezogen werden müssen.

Auch wenn Bush sich nun von Enron distanziert, fest steht: Er selbst und Regierungsmitglieder hatten hervorragende Beziehungen zu Managern des Energieriesen. Lay bekam sogar während der Bush-Wahlkampagne von seinen Washingtoner Freunden den Titel „Pioneer“ verliehen. Zum Club der „Pioneers“ durften sich jene zählen, die mindestens 100.000 Dollar für den Wahlkampf gespendet hatten. Später haben Enron-Mitarbeiter für die Bush-Regierung gearbeitet und die Ausrichtung der Energiepolitik maßgeblich beeinflusst. Lay ist oft als informeller Berater bei energiepolitischen Gesprächen zu Gast gewesen.

Enron war eine Geldquelle für viele Politiker. Seit 1990 hat das Unternehmen nach Angaben des Center of Responsive Politics insgesamt 5,8 Millionen Dollar für Wahlkampagnen verteilt, drei Viertel davon an die Republikaner.

Bei seinen Spenden verfuhr der Energiehändler ähnlich wie bei seinen Stromgeschäften: Die Firma versuchte sich durch eine breite Streuung seines Geldes abzusichern. Rund drei Viertel der 100 US-Senatoren haben Zuwendungen von Enron erhalten und rund die Hälfte der 435 Abgeordneten des Repräsentantenhauses. Für Enron dürfte es sich um ein Investment mit Rendite gehandelt haben. Bei einem im Jahr 2000 verabschiedeten Gesetz, das den Handel mit Rohstoff-Termingeschäften regelt, wurden jene Energiederivate ausgespart, mit denen Enron im vergangenen Quartal etwa 90 Prozent seines Gewinns machte.

Die Hauptuntersuchung im Kongress wird vom Ausschuss für Regierungsangelegenheiten durchgeführt. Vorsitzender des Gremiums ist der Demokrat Joe Lieberman, der im Wahlkampf als Al Gores Vizepräsident kandidierte. Lieberman, dem für 2004 Ambitionen auf das Präsidentenamt nachgesagt werden, könnte nun zum Hauptgegner Bush werden, der versucht, möglichst lange den Finger in die Wunde zu legen. Ob die Demokraten tatsächlich politisches Kapital aus dem Skandal schlagen können bleibt abzuwarten. Auch sie haben vom Geldsegen des Energiegiganten profitiert, trotz der klaren Präferenz für die Republikaner.

Wenn es um die Frage möglicher Einflussnahme auf die Energiepolitik geht, ist Vizepräsident Dick Cheney die entscheidende Figur. Er leitet die Energy Task Force im Weißen Haus und zieht im Hintergrund die Fäden. Cheney hat eingeräumt, sich 2001 allein sechsmal mit Enron-Direktoren in Washington getroffen zu haben. Der Kongress fordert von Cheney, die bislang geheim gehaltenen Informationen über diese und andere Treffen mit Firmenvertretern bedeutender Energieunternehmen zu veröffentlichen – bisher ohne Erfolg.

Die Reaktionen aus dem Weißen Haus folgen bisher der Logik: Wir haben nichts zu verbergen, daher müssen wir auch nichts aufdecken. Doch die Weigerung, Einsicht in brisante Unterlagen zu gewähren, nährt nur die Spekulation, dass Informationen verschleiert werden sollen. Ironischerweise war es ausgerechnet George W. Bush Junior, der in seinem Wahlkampf mit dem Anspruch antrat, moralischer, transparenter und anständiger als der von Affairen gebeutelte Bill Clinton zu sein.

Bislang lässt sich der Regierung im Zusammenhang mit der Enron-Pleite kein kriminelles Verhalten nachweisen. Das bedeutet jedoch keine Entwarnung für das Weiße Haus. Nach einer jüngsten Umfrage glauben 63 Prozent der Bevölkerung, dass die Regierung nicht alles aufdeckt, was ihre Beziehung zu Enron betrifft. Doch die größte Gefahr sehen die republikanischen Parteistrategen im möglichen Image-Schaden.

Der Schmusekurs zwischen Republikanern und Enron-Managern nährt das Image der Bush-Partei als Club des großen Geldes. Bush selbst hatte während des Wahlkampfes versucht, dieses mit dem Slogan des „mitfühlenden Konservativen“ loszuwerden. Andererseits hat Bush seine gute Verbindungen zur Privatwirtschaft nie verborgen. Er verstand den Geldsegen eher als Zeichen allgemeiner Unterstützung für seine Politik und brüstete sich damit, den Wahlkampf allein mit Spenden aus dem Privatsektor finanzieren zu können. In der Tat war es die am Besten finanzierteste Wahlkampagne in der US-Geschichte.

Nach seiner Wahl zahlte er es seinen Sponsoren zurück. Trinkwasserstandards wurden gesenkt, Emissionsbeschränkungen gelockert, Ölbohren in Naturreservaten erlaubt, eine industriefreundliche Energiepolitik aufgelegt und Steuersenkungen beschlossen, die vor allem große Unternehmen entlasten.

Vielleicht bringt der Enron-Skandal jedoch neuen Schub für ein festgefahrenes Projekt: Die Reform der Wahlkampffinanzierung. Abgesegnet vom Senat, blockiert das republikanisch dominierte Abgeordnetenhaus bislang die Gesetzesinitiative.

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