: Getürkte Zahlen beim Arbeitsamt
■ Rechungshof-Stichprobe auch in Bremerhaven: 70 Prozent der stolz präsentierten „Vermittlungen“ sind Luftnummern
Das Arbeitsamt Bremerhaven vermeldet Vermittlungen von Arbeitslosen in eine Stelle, obwohl sie keinen neuen Job haben. Das ergaben Prüfungen des Bonner Bundesrechnungshofes. Die oberste deutsche Kontrollinstanz rügte nach Prüfungen in Bremerhaven, Dortmund, Halle, Frankfurt an der Oder und Neuwied, dass 70 Prozent der bundesweit gemeldeten Stellenvermittlungen der Arbeitsämter Luftnummern sind. „Das heißt, Vermittlungen für einen Arbeitsplatz sind überhaupt nicht oder nicht in der verbuchten Form erfolgt“, erklärte Rechnungshof-Sprecher Joachim Romers. Mit der harten Kritik am Vermittlungsgebahren verbinden die Prüfer auch eine Neubewertung von Fördermaßnahmen wie ABM. Ihr Erfolg sei offensichtlich „deutlich geringer als bisher angenommen“, schreibt der Rechnungshof.
Bei der in Bremerhaven untersuchten Gruppe handelt es sich um 684 angeblich im Oktober vermittelte Arbeitslose. Genau aufschlüsseln wollen die Prüfer ihre Vermittler-Schelte vorerst nicht. Romers sagt nur: „Die Ergebnisse in den Arbeitsämtern ähneln einander“. Nach Lesart des Rechnungshofes hätten damit in Bremerhaven im Oktober nicht knapp 700 – wie von der Behörde vermeldet –, sondern nur 200 Arbeitslose durch das Arbeitsamt eine Stelle gefunden.
Die getürkten Zahlen „schädigen das Ansehen der Arbeitsämter weiter“, sagte die Bremer DGB-Chefin Helga Ziegert. Das Arbeitsamt stehe ohnehin nicht hoch im Kurs bei den Arbeitgebern, die inzwischen nur noch jede dritte freie Stelle beim Arbeitsamt melden. Negativ-Schlagzeilen wirkten sich da fatal aus, meinte Ziegert.
Auch Arnold Knigge, Staatsrat im Arbeitsressort und gleichzeitig im Vorstand der Bundesanstalt für Arbeit, ist zerknirscht: „Wir werden jedem einzelnen Fall nachgehen“, sagte Knigge, der heute in Nürnberg „umfassende Aufklärung“ über die Falsch-Vermittlungen fordern will. Noch warte er jedoch eine Stellungnahme der Bundesanstalt ab. Aber: „Es gibt Punkte in der Darstellung der Vermittlerarbeit, an denen auch ich zweifle“, sagte Knigge, der die genauen Befunde des Rechnungshofsberichts kennt.
„Schwerpunkt des Arbeitsamtes muss weiter die Vermittlungstätigkeit sein“, sagte Knigge. Allein das Bremer Arbeitsamt bekomme in diesem Jahr 24 neue Stellen. Am Erfolg von Fördermaßnahmen für Arbeitslose zweifelt Knigge indes nicht: „Bei der Vergabe von Mitteln für ABM vereinbaren wir mit den Trägern eine Erfolgsquote von 25 Prozent der Betroffenen, die wieder in den Arbeitsmarkt einzugliedern sind.“ ksc
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