: Jeden Tag ein neuer V-Mann
Vierter Informant des Verfassungsschutzes in den NPD-Verbotsakten gefunden. Geheime Unterrichtung des Bundesverfassungsgerichts wird derweil unwahrscheinlicher. Grüner Özdemir teilt Zweifel an Rechtmäßigkeit
BERLIN rtr ■ Nach Bekanntwerden des vierten Vertrauensmannes im NPD-Verbotsverfahren rechnet die Union damit, dass noch weitere Informanten des Verfassungsschutzes in den Verbotsanträgen aufgeführt sind.
Der Unionsfraktionsvizechef Wolfgang Bosbach sagte gestern, er habe Hinweise darauf, dass der vom Innenministerium eingeräumte Fall des ehemaligen V-Mannes Matthias Meier nicht der letzte sei. Die Union behalte sich vor, Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) in einer Sondersitzung des Bundestags-Innenausschusses erneut zu befragen. Zweimal ist Schily dort bereits aufgetreten.
Am Montagabend hatte das Innenministerium einräumen müssen, dass sich der NPD-Verbotsantrag auf einen vierten V-Mann stützt. Es handelt es sich dabei um Matthias Meier, der von Ende 1998 bis Ende 1999 Informant des Verfassungsschutzes war. Nach Angaben der ARD ist in den Verbotsanträgen ein Artikel Meiers für die mecklenburg-vorpommersche NPD-Zeitung Der Kamerad aufgeführt. Meier habe das Blatt ab 1998 geleitet. Das Innenministerium betonte, die in den Verbotsanträgen erwähnten Publikationen Meiers seien vor dessen Tätigkeit als V-Mann entstanden. Noch am Montagnachmittag hatte das Innenministerium lediglich von drei V-Leuten gesprochen.
Unterdessen wird die geheime Unterrichtung des Bundesverfassungsgerichtes über die V-Leute immer unwahrscheinlicher. Der Grüne Innenexperte Cem Özdemir sagte gestern, er teile die Skepsis der Prozessbevollmächtigten gegen das so genannte In-Camera-Verfahren. Dieses gilt als bedenklich, weil alle Prozessbeteiligten Anspruch auf vollständige Information haben. Özdemir sagte, Konsequenz aus der V-Mann-Affäre müsse die Reform der Geheimdienste sein: „Dieses Spiel möchte ich nicht mehr erleben.“
Spätestens bei möglichen Koalitionsverhandlungen nach der Bundestagswahl wollten sich die Grünen dafür einsetzen, dass etwa die Kompetenzen zwischen dem Bundesamt für Verfassungsschutz und den Landesämtern klarer abgegrenzt werden, erklärte Özdemir.
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