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Union schließt letztes Hintertürchen

Auch die von Innenminister Schily versprochene „Begrenzung“ der Zuwanderung reicht der CDU/CSU nicht mehr. Beckstein fordert ein „Reduzierungsgesetz“. Und Brandenburgs CDU-Minister Schönbohm darf Rot-Grün nicht zur Mehrheit verhelfen

von LUKAS WALLRAFF

Nein, auch die Union will Zuwanderung nicht ganz verbieten. Einer darf noch rein. „Wenn Bill Gates nach Deutschland käme und sich niederlassen möchte, müssten wir ihn aufnehmen“, räumte Bayerns Innenminister Günther Beckstein (CSU) gestern nach einem Strategietreffen der Unions-Spitzenpolitiker in der Berliner CDU-Zentrale ein.

Das großzügige Angebot an den Microsoft-Milliardär war aber auch schon das einzige Zugeständnis, zu dem sich Beckstein, Kanzlerkandidat Edmund Stoiber und CDU-Chefin Angela Merkel bei ihrem Gespräch mit den CDU-„Zuwanderungsexperten“ durchringen konnten. Wer nicht wenigstens so etwas Ähnliches wie ein Computer-Imperium bieten kann, soll draußen bleiben. Selbst eine deutliche „Begrenzung“ der Zuwanderung im Gesetzestext, wie sie von der Union seit Wochen gefordert wird und wie sie Innenminister Otto Schily (SPD) zugesagt hat, reicht der CDU/CSU nicht mehr. Das neue Motto, das Beckstein ausgab, lautet „Reduzierung“. Wenn die Union einem Gesetz zustimmen solle, dann müsse sichergestellt sein, dass die jährlichen Zuwandererzahlen auf „650.000 minus x“ sinken.

Reduziert haben sich aber vorerst nur die Chancen auf eine Verabschiedung des Zuwanderungsgesetzes noch in dieser Legislaturperiode. Denn deutlicher als bisher ließ die Union gestern wissen, worum es ihr geht: totale Blockade. Im Bundestag will die Union auf allen Forderungen beharren, die sie Anfang des Jahres aufgestellt hatte: „Diese 16 Punkte sind für uns unverzichtbar“, stellte Fraktionsvize Wolfgang Bosbach klar.

Und auch das letzte Hintertürchen im Bundesrat, das Schily noch finden wollte, soll auf jeden Fall geschlossen werden. Brandenburgs Innenminister Jörg Schönbohm, der mit seinem SPD-Koalitionspartner als Wackelkandidat galt, wurde bei dem gestrigen Treffen offenbar auf Linie gebracht. „Wir haben heute die Position der Union formuliert“, sagte Saarlands Ministerpräsident Peter Müller. „Daran werden sich die Mitglieder der Union konsequent orientieren.“ Nur wenn alle Forderungen der Union erfüllt seien – also nicht nur Begrenzung, sondern Reduzierung und weitere Restriktionen im humanitären Bereich – sei es möglich, dass die Union „ihre Entscheidung über eine Zustimmung möglicherweise noch einmal überdenkt“.

Daran glaubt aber kaum noch jemand. Auch Beckstein nicht, der sich mit seinem SPD-Kollegen Schily eigentlich sehr gut versteht. „Rot und Grün sind meilenweit auseinander“, sagte Beckstein, „das ist ja auch der eigentliche Punkt.“ Mit der SPD könne man sich vielleicht einigen, machte Beckstein klar, wenn da nur deren kleiner Koalitionspartner nicht wäre: „Die Grünen wollen eine massive Erweiterung der Zuwanderung“, behauptete Beckstein, ja mehr noch: „Die Grünen wollen eine völlig andere Gesellschaft.“

Der grüne Rechtsexperte Volker Beck äußerte sich gestern nicht zu dieser abenteuerlichen Interpretation des grünen Programms. Kurz nach Becksteins Auslassungen sagte er aber, er verstehe die Unionsforderungen als „Ausstiegserklärung aus dem Verhandlungsprozess“. Die Chancen für eine Einigung seien sehr schlecht geworden.

Die Ausländerbeauftragte der Bundesregierung, Marieluise Beck (Grüne), hatte schon am Mittwoch eine „Auszeit“ empfohlen. Die Grünen-Menschenrechtspolitikerin Christa Nickels erklärte gestern in einem Zeitungsinterview, ihre Partei sei mit ihrem Entgegenkommen beim Zuwanderungsgesetz „am Ende der Fahnenstange“. Nickels würde „lieber kein Gesetz machen und ehrlich in den Wahlkampf gehen“, als noch mehr Zugeständnisse zu machen. Wenn Grund- und Menschenrechte weiter heruntergestuft würden, würde sie ihrer Partei „ganz klar raten, dem nicht zuzustimmen“.

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