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Fischer sieht auch Positives

Der Bundesaußenminister ist ohne Friedensplan in den Nahen Osten gereist. Er sieht Anzeichen, dass Israelis und Palästinenser sich von der Eskalation als Strategie abwenden wollen

aus Tel Aviv PATRIK SCHWARZ

Jassir Arafat liebt die große Geste, und wenn ihm ein wichtiger Besucher aus dem Ausland gegenübersitzt, dann darf die Geste auch ein bisschen dramatisch ausfallen. „Vernunft hat ihre Grenzen!“, ruft der Palästinenserpräsident dann zur Eröffnung des Gesprächs und trägt Joschka Fischer erst einmal vor, warum Vernunft und Zurückhaltung eben nichts hülfen im Umgang mit den schlimmen Israelis.

„Vernunft hat ihre Grenzen!“ Fast ist der Satz schon zum Ritual geworden, schließlich ist der deutsche Außenminister des öfteren bei dem PLO-Chef zu Gast. Längst hat er sich daran gewöhnt, dass es halt ein bisschen dauert, bis man im Nahen Osten zur Sache kommt. Dem Frieden ist mit Tempo ohnehin nicht näher zu kommen. Da reichen auch die knapp vier Tage nicht, in denen Fischer jetzt hintereinander Kairo, Tel Aviv und Ramallah besuchte. Von den Gesprächen mag er nichts erzählen, trotzdem ist auf dem Weiterflug Richtung Afghanistan unübersehbar, dass er wieder Hoffnung gefasst hat.

Schon als er vor kurzem einen Besucher aus der Region empfing, brachte dieser Signale eines vorsichtigen Aufbruchs mit. Ungläubig haben der Minister und seine Mitarbeiter vernommen, dass in die verhärteten Fronten zwischen Israelis und Palästinenser wieder Bewegung gekommen sein sollen. Zu offensichtlich war der Widerspruch zu den Nachrichten: Auf jeden Schlag der einen Seite folgte ein härterer Gegenschlag der anderen. Arafat steht in Ramallah de facto unter Hausarrest, Premierminister Ariel Scharon lehnt jede Kurskorrektur ab, erstmals ist ein israelischer Panzer in einer Sprengfalle zerrissen worden.

Bereits vor dem Abflug hat Fischer darum die Erwartungen an seine Reise niedrig gehängt: Weder sei er mit einem Verhandlungsauftrag der Europäischen Union unterwegs, noch habe er einen neuen „Friedensplan“ in der Tasche. Statt eigene Vorschläge zu präsentieren, hat er die Zeit für eine manchmal schier endlose Abfolge von Gesprächen verwandt, die weit über den Kreis des potokollarisch Notwendigen hinausgingen: Auf israelischer Seite gehörten dazu Exminister wie der Labour-Mann Jossi Beilin und verschiedene frühere Außenminister, auf palästinensischer Seite die erweiterte Spitze der Autonomiebehörde. Und in der Tat, neben einer Routine des Schreckens glaubte die Fischer-Truppe Anzeichen zu entdecken für den Beginn eines Stimmungsumschwungs – weg von der Eskalation als Strategie.

Die Motive sind für die Diplomaten aus Deutschland schwer auszumachen. Verschaffen die blutigen Erfolgsmeldungen von der zweiten Intifada Arafat im eigenen Lager den Spielraum für neue Verhandlungen? Wirkt sich auf israelischer Seite die fortschreitende Spaltung der Gesellschaft in Anhänger und Gegner einer harten Linie aus? Und welche Rolle spielt die Gefahr eines drohenden US-Angriffs auf den Irak? Eine optimistische Spekulation lautet, die Palästinenser könnten Interesse an einer beschleunigten Einigung mit Israel haben, ehe ein möglicher neuer Irak-Krieg alle Fortschritte unmöglich macht.

Woran es keinen Mangel hat, sind Pläne, Konzepte und Modelle für den Frieden. Seit Monaten schon weist Fischer immer wieder darauf hin, dass die Elemente für eine Friedenslösung für alle sichtbar auf dem Tisch lägen. Man könnte sagen, sie sind wie Legosteine, doch steckt sie keiner zusammen.Oder in den Worten eines deutschen Diplomaten: Alles befindet sich hinter einer Tür und die ist zu.

Bleibt die Frage, was eigentlich nach Arafat kommt. Immerhin ist kaum auszumachen, ob er gesundheitlich oder politisch schwerer angeschlagen ist. Doch Diplomaten lieben die Spekulation nicht. So heißt es, der Palästinenserpräsident habe gewirkt wie immer – und das ist wahrscheinlich nicht mal falsch.

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