: Fliegen so billig wie Kaffeetrinken
Die irische Fluglinie Ryanair unterbietet die Lufthansa – im günstigsten Fall bringt sie ihre Passagiere für 5 Euro von Rheinland-Pfalz nach Mailand. Spartanisches Reisen: Kein Service, wenig Platz. Etablierte Fluglinien desorientiert
vom Hahn KLAUS-PETER KLINGELSCHMITT
Der Radiosender SWR 1 wollte es diese Woche ganz genau wissen. Wer schlägt wen auf der Distanz von Mainz nach Milano – der irische Billiganbieter Ryanair die etablierte deutsche Lufthansa?
Eine Reporterin flog von Frankfurt am Main aus mit Lufthansa nach Mailand-Malpensa und wieder zurück. Ticketpreis: 717 Euro plus 12 Euro für die S-Bahn zum Airport. Belegte Brötchen gab es umsonst. Gesamtreisezeit: 8 Stunden und 30 Minuten (mit Verspätung). Ihr Kollege fuhr zeitgleich mit dem Auto zum rund 100 Kilometer entfernten Flughafen „Frankfurt-Hahn“ und flog dann mit Ryanair nach Bergamo bei Milano – und anschließend alles retour. Preis: 129 Euro, plus 40 Euro an Sprit- und Buskosten. Service gab es keinen. Gesamtreisezeit: 6 Stunden (ohne Verspätung). Das Fazit der Testflieger: Wer eine gute Flugstunde lang auf ein belegtes Brötchen verzichten könne, kommt mit Ryanair für rund ein Sechstel der normalen Ticketkosten nach Italien.
Eine weitere Niederlage für Lufthansa. Die deutsche Airline trudelte nach den Terroranschlägen des 11. September in die Krise. Und jetzt mischen die Iren auch noch den Markt auf dem Kontinent auf. So darf der Aldi der Lüfte seine niedrigen Preise jetzt auch mit höchstrichterlichem Segen direkt mit denen der Lufthansa vergleichen. Das Landgericht in Köln verwarf Anfang Februar eine Unterlassungsklage der deutschen Airline. Ryanair-Boss Michael O’Leary triumphierte und schüttete spontan 1.000 Freiflüge an die deutsche Stammkundschaft aus. Und er versprach „allen Deutschen“, dass sie mit seiner Fluggesellschaft auch in Zukunft „80 Prozent billiger als mit der Lufthansa“ fliegen könnten.
Wer außerhalb der normalen Geschäftszeiten in Europa reisen kann – etwa sonntags ganz früh – fliegt mit Ryanair manchmal schon für nur 5 Euro vom Hahn nach Milano. Mit derartigen Preisen lassen sich zwar die Kosten nicht hereinholen, aber die Linie verfährt nach der Devise: lieber jeden Platz verkauft als gar keine Einnahme. Die ehemalige US-Airbase Hahn ist nicht zuletzt wegen Ryanair zum erfolgreichsten Konversionsprojekt der rheinland-pfälzischen Landesregierung avanciert. Der kleine Flughafen ist schon die Nummer drei unter den deutschen Regionalflughäfen im Passagierbereich.
Die Luftschlacht um die Kundschaft in Deutschland hat nun neue Qualität. 40 Millionen Fluggäste will Ryanair bald jährlich in Europa befördern und so die noch größten Carrier auf dem Kontinent, Air France, Lufthansa und British Airways, überflügeln. Schon im Januar schockte O’Leary die Konkurrenz: Ryanair orderte bei Boeing 100 Maschinen vom Typ 737-800. „Die Mitbewerber sind in Aufruhr“, freute sich O’Leary danach. Lufthansa versucht verzweifelt dagegen zu halten: Wer jetzt buche und erst im April fliege, erhalte für Flüge in diverse europäische Metropolen 20 Prozent Rabatt, verspricht die deutsche Airline.
Die Leute von Ryanair am Counter auf dem Hahn können darüber nur lachen. Und wie machen die Billigflieger das? Es gibt keinen Service an Bord und keine Tickets am Boden – nur Registriernummern. Man bucht telefonisch oder über das Internet. Jeder Fluggast muss selbst sehen, wie er von den kleinen Flughäfen an der Peripherie europäischer Großstädte zu seinem eigentlichen Reiseziel gelangt. Dazu kommt: Auf dem Hahn und den anderen Provinzflughäfen in Europa zahlt Ryanair keine oder fast keine Lande- und nur geringe Abfertigungsgebühren. Die Grünen im Mainzer Landtag halten das für eine „indirekte Subventionierung“ einer ausländischen Aktiengesellschaft. Die Landesregierung nennt es „Wirtschaftsförderung im strukturschwachen Raum“.
In den Maschinen von Ryanair gibt es keine Klassengesellschaft; dafür aber mehr Sitzreihen. Und die Flugzeuge sind so oft wie möglich in der Luft, ohne dass ihre Wartung vernachlässigt würde, wie Ryanair versichert. Experten in Europa bescheinigen Ryanair tatsächlich einen hohen Sicherheitsstandard.
In diesem Jahr will Ryanair vom Hahn aus 1,5 Millionen Passagiere befördern – mehr als doppelt so viele wie 2001. Und die Flugzeuge bekommen eine neue Aufschrift verpasst: „Auf Wiedersehen Lufthansa!“
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