Ministerin Künast kriegt Rhetorik-Nachwuchspreis

Statt des Goldenen Mikrofons für politische Rhetorik wird Renate Künast eine Frauenstatue überreicht. Sie ist jetzt „Frauenpersönlichkeit des Jahres“

BERLIN taz ■ Es gibt nicht viele Frauen in der Politik, die gute Rednerinnen sind. Das wäre ein Grund gewesen, einer, die es wirklich kann, einmal das Goldene Mikrofon des Förderkreises Politische Rhetorik zu verleihen. Damit hätte der Verein, dem Promis wie Bundestagspräsident Wolfgang Thierse und Unionsfraktionschef Friedrich Merz angehören, den Frauenanteil der bisher 23 PreisträgerInnen von eins auf zwei erhöht. Nummer eins zwischen den Biedenkopfs, Weizsäckers, Raus und Gysis, die mit dem Goldenen Mikrofon nach Hause gingen, war die SPD-Finanzpolitikerin Ingrid Matthäus-Meier, Nummer zwei wäre Verbraucherministerin Renate Künast gewesen.

Stattdessen bekam Künast gestern eine schmale marienartige Bronzestatue in die Hand gedrückt und wurde von ebendem Förderverein Politische Rhetorik zur „Frauenpersönlichkeit 2001“ gekürt. Neuerdings ist man also nicht einfach Persönlichkeit, sondern Männerpersönlichkeit oder Frauenpersönlichkeit. Warum? Das konnte auch die Mannsperson Peter Ditko vom Förderverein nicht recht erklären, obwohl er sich wirklich Mühe gab.

Da seien „anscheinend doch Schwierigkeiten da“, räumte er angesichts seiner 0,23 Prozent-Quote bei den PreisträgerInnen ein. Obwohl er insistierte, dass Frauen „es auch können“. Der Ausweg aus dem Dilemma: „Sie machen es anders“. Was Frauen anders machen, konnte er allerdings auch nicht recht erklären. „Kurze Sätze“, die er an Renate Künast lobte, sind jedenfalls bisher noch nicht als besonders weibliche Rhetorik in die Lehrbücher eingegangen.

Als Entschuldigung für den Frauensonderpreis mussten also „höhere Stimme“ und „zierlicher Körperbau“ herhalten, weshalb Frauen ja von Männern „häufig unterschätzt würden“, so Ditko. Kann also der Förderverein Körperbau und Stimmhöhe nicht von der Kunst der Rede unterscheiden, für die er seine Preise verleiht? Bekommen Frauen einen Sonderpreis, weil sie kleiner sind als Männer? Warum bekam dann Gregor Gysi (165 cm) beim letzten Mal trotzdem den Männerpreis? Für einen geschulten Rhetoriker ließ der Laudator das Publikum mit erstaunlich vielen Rätseln zurück.

Die schlichte Wahrheit sprach dann die Ausgezeichnete selber aus: „Die Zeit der großen Rednerinnen hat gerade erst begonnen“, sagte sie optimistisch, was im Umkehrschluss heißt: es gibt erst wenige gute Rednerinnen. Die öffentliche Rede ist nun mal keine traditionelle Frauendomäne. „Eine Körpersprache für Frauen in der ersten Reihe ist noch gar nicht entwickelt“, stellte Künast fest. Wenn sie ähnlich ausholende Armbewegungen mache, wie ein Mann, frage man sich: „Was macht die da für Turnübungen?“. Redende Frauen könnten sich also nicht schlicht an Männern orientieren, sondern müssten „eigene Markierungen setzen“.

Renate Künast ist das augenscheinlich geglückt. 164 cm Größe und eine hellere Stimme waren wohl doch kein rhetorisches Hindernis. Die Politikerin ist nach Guido Westerwelle die Talkshow-Queen Nr 2. Das muss ja auch irgendetwas mit Rhetorik zu tun haben. Glücklicherweise ist bisher niemand auf die Idee gekommen, sie auch dafür mit einem marienartigen Talkshow-Nachwuchspreis zu bestrafen. HEIDE OESTREICH