: Bundestag fast ahnungslos
Der Einsatz deutscher Spezialtruppen in Afghanistan provoziert bei Parlamentariern Nachfragen: Dürfen gefangene Kämpfer trotz drohender Todesstrafe an die USA ausgeliefert werden?
von HEIDE OESTREICH
Nachdem der Einsatz von 80 bis 100 Soldaten des Kommandos Spezialkräfte (KSK) in Afghanistan bestätigt wurde, steht nicht nur die Informationspolitik der Bundesregierung in der Kritik. Auch über mögliche Folgen des Einsatzesverlangen Bundestagsabgeordnete Auskunft.
Das Spezialgebiet der KSK ist die Festnahme von Kriegsverbrechern. Doch der Status gefangener Al-Qaida-Kämpfer, die von der Bundeswehr in Afghanistan gesucht werden, ist innerhalb der Anti-Terror-Koalition umstritten. US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld hatte mehrmals betont, dass die USA die Al-Qaida-Gefangenen nicht als Kriegsgefangene im Sinne des Völkerrechts betrachten. Weder die Haftbedingungen noch das rechtliche Verfahren für die inhaftierten mutmaßlichen Al-Qaida-Mitglieder in Guantánamo auf Kuba entsprechen gegenwärtig den internationalen Standards für Kriegsgefangene. Das war in Europa auf heftige Kritik gestoßen. Bundesaußenminister Fischer etwa hatte eigens betont, dass die Inhaftierten „wie Kriegsgefangene zu behandeln sind“.
Bereits zuvor hatte die britische Regierung angekündigt, dass von britische Soldaten festgenommene Terroristen nur an die USA ausgeliefert würden, wenn ihnen dort nicht die Todesstrafe drohte. Auch spanische Behörden verweigern die Auslieferung von Al-Qaida-Mitgliedern an die USA aus diesem Grund.
Was aber passiert, wenn das deutsche KSK nun Al-Qaida-Mitglieder in Afghanistan festnimmt? Reicht es, auf die Geheimhaltungspflicht zu verweisen, wie das Verteidigungsministerium es tut? Reicht es, ein Geheimgremium zu fordern, das über diese Fragen berät? Letzteres fordert die Verteidigungsexpertin der Grünen, Angelika Beer: „Es gibt noch mehr und brisantere Folgen des KSK-Einsatzes als die Frage nach dem Verbleib der Kriegsgefangenen“, erklärte sie gegenüber der taz. Diese Fragen könnten aber nicht öffentlich diskutiert werden. „Wir fordern deshalb ein kleineres, geheimes Gremium, das über solche Geheimeinsätze laufend informiert wird und die daraus folgenden Fragen bespricht“, so Beer. Es reiche aus, wenn jede Fraktion ein Mitglied in ein solches Gremium entsende.
Ihr Fraktionskollege Winfried Nachtwei, ebenfalls Mitglied des Verteidigungsausschusses, geht weiter: „Wenn man diese Fragen nicht öffentlich diskutiert, setzt man das Primat der Politik völlig außer Kraft. Eine Diskussion über die Kriegsgefangenen steht an“, sagte er der taz. Sie sollten „nicht an eine Macht ausgeliefert werden, unter der ihnen die Todesstrafe droht und die Militärtribunale jenseits des Kriegsvölkerrechts einrichtet“, forderte er.
Auch die Opposition ist vom Vorgehen der Bundesregierung nicht entzückt. „Die Informationspolitik ist in dieser Art nicht in Ordnung“, sagte der verteidigungspolitische Sprecher der CDU, Paul Breuer, der taz. „Ich erwarte, dass die Regierung den Verteidigungsausschuss über die Ergebnisse dieser Einsätze unterrichtet. Und ich erwarte, dass sie eine rechtliche Bewertung der Übergabe oder des Verbleibs von Kriegsgefangenen vornimmt.“ Der CDU-Außenpolitiker Friedbert Pflüger meinte: „Das Parlament hat ein Recht, zu erfahren, was unsere Soldaten genau machen und unter welchem Kommando sie stehen.“
Möglicherweise muss das Parlament noch lange warten. Im Verteidigungsministerium jedenfalls hieß es gestern zu diesen Fragen: „Kein Kommentar.“
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