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Bankkrise leicht gemacht

Der Skandal um die Bankgesellschaft: Neue Milliardenlöcher, Verhaftungen und Freilassungen, undurchsichtige Fondsgeschäfte. Die taz beantwortet elf Fragen, die sich jeder von uns stellt

von UWE RADA und RICHARD ROTHER

1. Zahlen über Zahlen: Wie hoch sind die Risiken bei der Bankgesellschaft tatsächlich?

Die Bankgesellschaft ist ein Fass ohne Boden. Im vergangenen Jahr hat Berlin der Bank eine Finanzspritze von 1,75 Milliarden Euro gegeben, um sie vor dem Konkurs zu bewahren. Jetzt will das Land eine Art Bürgschaft für risikoreiche Immobilienfondsgeschäfte übernehmen. 3,73 Milliarden Euro Verlust kommen so wahrscheinlich in den nächsten 30 Jahren zusammen. Die Verluste liegen realistischerweise zwischen 2 und 8 Milliarden Euro, ihre tatsächliche Höhe hängt von der Entwicklung des Immobilienmarktes in den nächsten 30 Jahren ab. Zuverlässige Prognosen sind über diesen Zeitraum kaum möglich. Rund 21,5 Milliarden Euro Verlust träfen in dem unwahrscheinlichen Fall ein, dass die Immobilien gar nichts mehr wert wären; die 35 Milliarden Euro Verlust, die bei der EU angemeldet werden, sind – wegen so genannter Doppelbuchungen – eine fiktive Zahl.

2. Wie funktioniert ein Fonds?

Gibt es für ein Bauvorhaben keinen Investor oder bringt der zu wenig Kapital mit, wird in der Regel ein Immobilienfonds aufgelegt. Verschiedene Anleger zahlen in den Fonds ein, der ihnen Steuererleichterungen oder über Mietgarantien auch eine bestimmte Rendite verspricht. Anders als normale Fonds wie etwa beim Bau des Hotels Adlon gab es bei den Fonds der Bankgesellschaft kaum Risiken für die Anleger. Denn bei vielen Immobilien trat die Bank selbst als Generalmieter auf und garantierte so den Anlegern regelmäßige Einnahmen, ganz egal, ob die Immobilie nun vermietet war oder nicht. Falls es doch einmal zu Schwierigkeiten kommen würde, wurde den Anlegern das Recht eingeräumt, ihre Einlagen zu 100 Prozent zurückzuverkaufen. Alle Risiken blieben also bei der Bank. Und damit beim Land Berlin. Das hat mit der Gewährsträgerhaftung zu tun.

3. Warum muss das Land bis zu 30 Jahre lang bluten?

Die Gewährsträgerhaftung wurde ursprünglich für alle landeseigenen und kommunalen Banken ausgesprochen und sollte zum Beispiel dem Kunden der Sparkasse die Sicherheit geben, dass die Einlagen im Falle eines Bankenkrachs nicht verloren gehen. Im Zusammenhang mit der Konstruktion der Bankgesellschaft Berlin 1995 ging die Gewährsträgerhaftung aber auch auf die Immobiliengeschäfte der privaten Berlin Hyp und später der Immobilien und Beteiligungsgesellschaft IBG über. Der rot-grüne Senat anerkannte die Gewährsträgerhaftung, in dem er der Bank im vergangen Jahr unter die Arme griff. Das moniert aber nun der EU-Wettbewerbskommissar Mario Monti. Denn diese Haftung gibt es EU-weit nur in Deutschland.

4. Was hat die EU-Kommission mit der Bank zu tun?

Die EU-Kommission wacht über den Wettbewerb innerhalb der Europäischen Gemeinschaft. Deshalb muss sie die Beihilfe des Landes genehmigen. Diese könnte nämlich wie die Übernahme der Immobilienverluste eine unzulässige Subvention sein. Der Verdacht: Verzerrung des Wettbewerbs zu Lasten der Privatbanken.

5. Warum zweifelt die EU an der Sanierung der Bank?

Die EU genehmigt die Milliardenspritzen nur, um damit einen noch größeren Schaden für den gesamten Bankenmarkt – der Konkurs – zu verhindern. Die Brüsseler knüpfen die Zustimmung aber an strenge Bedingungen: die Bank muss saniert werden und soll sich auf den regionalen Markt konzentrieren.

6. Berlin gehören rund 80 Prozent der Bankanteile. Warum lässt das Land den Laden nicht einfach Pleite gehen?

Die Bankgesellschaft besteht aus öffentlichen (Sparkasse und Landesbank) und privaten Instituten (Berlin Hyp, Berliner Bank) Eine saubere Lösung wäre, den defizitären Immobilienbereich einfach in den Konkurs zu führen. Dann wären auch die Fondseigner mit im Boot. Juristisch ist das aber nicht möglich, da die Bankgesellschaft als Muttergesellschaft eine so genannte Patronatserklärung abgegeben hat, für die Verluste ihrer Töchter haftet. Insofern könnte höchstens der gesamte privatrechtliche Teil in die Pleite geführt werden; für den öffentlichen Teil hat die öffentliche Hand ohnehin eine Bestandsgarantie übernommen. Dann wären aber die Kredite futsch, die die öffentliche Landesbank an private Banktöchter ausgereicht hat; Branchenkenner sprechen von einer zweistelligen Milliardenhöhe. Diese Verluste müsste der Berliner Steuerzahler letztlich tragen. Eine Insolvenz wäre also wahrscheinlich nicht billiger als die geplanten Kapitalspritzen. Von den volkswirtschaftlichen Schäden einer Totalpleite ganz zu schweigen: der Verlust von Arbeitsplätzen, Vertrauen, Image.

7. Warum findet sich kein Käufer für die Bank?

Berlin will die Bankgesellschaft verkaufen und mindestens die 1,7 Milliarden Euro, die es vergangenen Jahr hineingesteckt hat, herausholen. Kein Investor wollte jedoch die immensen Risiken übernehmen, die in dem Konzern schlummern; deshalb hat der Senat die so genannte Risikoabschirmung beschlossen. Dennoch schlummern im Konzern weitere Immobiliengeschäfte, die mit den Fondsgeschäften nichts zu tun haben. Der lukrative Teil des Konzerns, das Massenkundengeschäft, könnte so für Investoren zum Bumerang werden. Nur die Rosinen verkaufen, möchte der Senat aber nicht.

8. Was ist mit der Sparkasse?

Sie ist das Tafelsilber der Bankgesellschaft. Ginge es alleine um einen Verkauf der Sparkasse würden die Interessenten Schlange stehen. Denn sie ist der Berliner Martführer im so genannten Retail-Geschäft, also dem Massengeschäft mit Privat- und Kleinfirmenkunden. Und deren Geschäfte und Ersparnisse sind weitaus weniger riskant als die Fondsgeschäfte und Immobilienabenteuer der anderen Bankgesellschaftstöchter. Während die Grünen bereits vorgeschlagen haben, dass sich das Land von allen Bankentöchtern mit Ausnahme der Sparkasse und der Landesbank Berlin trennen sollte, verfolgt der Senat nach wie vor einen Verkauf der Bankgesellschaft im Paket. Auf jeden Fall gilt für Kunden der Sparkasse: ihre Einlagen sind gesichert. Zumindest das ist die positive Seite der Gewährsträgerhaftung.

9. Wer profitiert?

Bei den meisten Immobiliengeschäften der Bankgesellschaft, vor allem aber bei den Fonds gilt die alte kapitalistische Losung, derzufolge die Gewinne privatisiert, die Verluste aber sozialisiert werden. Die Gewinner sind zum einen die Anleger der Immobilienfonds, die sich ohne Risiko auf Kosten des Landes bereichern. Gewinner sind, zumindest im finanziellen Sinne, auch die Manager und Exmanager der Banken. Auch wenn sie entlassen werden, beziehen sie in der Regel ihre horrenden Gehälter weiter.

10. Können die Schuldigen zur Verantwortung gezogen werden?

Ein schwieriges Thema, das der Berliner Generalstaatsanwalt Hansjürgen Karge zuletzt damit beantwortete, dass es rechtlich nicht verboten sei, schlechte Geschäfte zu machen. Man müsste also den Topmanager nachweisen, nicht nur schlechte Bankgeschäfte gemacht zu haben, sondern diese auch in betügerischer Absicht eingefädelt zu haben, zum Beispiel zuungunsten des Landes Berlin. Derzeit arbeitet eine Sonderermittlungsgruppe „Bankgesellschaft“ bei der Staatsanwaltschaft an der juristischen Aufarbeitung. Wie schwierig es ist, konkrete Beweise vorzulegen, zeigte sich beider missglückten Verhaftung der Aubis-Manager Wieland und Neuling. Zwar wurde inzwischen der Chef der Ermittlungsgruppe, Hans-Jürgen Dorsch, mit Claus-Peter Wulf durch einen neuen Leiter ersetzt. Doch Generalstaatsanwalt Karge warnt vor überzogenen Erwartungen. Er wird wissen, warum.

11. Was verdienen Landowsky und Rupf heute?

Wolfgang Rupf bekommt laut Spiegel noch vier Jahre lang ein Gehalt von einer halben Million Euro im Jahr. Klaus Landowsky soll sein Gehalt von 350.000 Euro noch zwei Jahre kriegen.

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