piwik no script img

Gregor Gysi sprudelt über

Der PDS-Wirtschaftssenator droht, Subventionen zurückzuverlagen, falls Spreequell seine Fabrik für Mineralwasser nach Brandenburg verlegt. Gewerkschaft: Konzern will Schließung überdenken

von PHILIPP GESSLER

Berlin sei in einer Hinsicht anderen Millionenstädten Europas voraus, so sagte Stadtentwicklungssenator Peter Strieder (SPD) vor ein paar Monaten: Keine andere Metropole könne ihren Wasserbedarf aus eigenen Quellen sicherstellen! Das Urstromtal, in dessen Auen Berlin steht, spende ein ausreichendes Maß an Wasser für alle.

Vielleicht liegt es an dieser Nähe der Spreebewohner zu ihrem Trinkwasser, dass die Verlegung eines Mineralwasserunternehmens ins benachbarte Brandenburg zum bestimmenden Thema in der Stadt emporgequollen ist: Spreequell, Berlins einziger Mineralbrunnen, droht zu versiegen. Gelockt von höheren Subventionen in der Mark, will man den Standort in Weißensee aufgeben. Etwa 75 von 100 Arbeitsplätzen drohen den Bach runterzugehen. Doch: Der neue Wirtschaftssenator Gregor Gysi (PDS) springt für die Berliner Wassermacher in die Fluten: Kaum verhohlen drohte er gestern, Spreequell könnte gezwungen werden, Subventionen zurückzuzahlen, die der Senat dem Unternehmen gezahlt hatte: für die Zusage, bis mindestens Mai kommenden Jahres nur hier hiesiges Wasser etwa in Club-Cola zu veredeln.

Diese kristallklare Erinnerung an frühere Geschenke ist offenbar nicht ganz unsinnig: Ein Unternehmenssprecher kündigte an, es werde in „naher Zukunft“ ein Treffen der Geschäftsführung mit der Investitionsbank Berlin geben – mit der Bank also, die im Auftrag des Senats Fördermillionen sprudeln lässt. Wie viele Millionen für das Unternehmen aus dem Etat der Stadt flossen, konnte der Sprecher nicht sagen. Auch über die Höhe der Subventionen Brandenburgs für die Ansiedlung des Unternehmens im Nachbarland wollte er nichts sagen. „Nach internen Berechnungen müssten wir 17 Millionen Euro investieren, um auf dem Spreequell-Gelände auf PET-Flaschen umzurüsten“, erklärte der Marketinggeschäftsführer von Spreequell. In Weißensee fehlten dafür die Technik und eine beheizbare Halle. Eine entsprechende Investition an diesem Standort „rechnet sich einfach nicht“.

Von solchen betriebswirtschaftlichen Argumenten lassen sich jedoch die Politiker jeglicher Couleur nicht in wahlkampftechnisch wichtigen Solidaritätskundgebungen abhalten: Bundestagspräsident Wolfgang Thierse (SPD) bot der Geschäftsführung seine Vermittlung bei Gesprächen an. Auch der Vizechef der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Günter Nooke, der ebenfalls im Wahlkreis Pankow – und damit in Weißensee – antritt, hat sich bereits mit den Spreequell-Mitarbeitern solidarisiert und ihre Mahnwache besucht. Ob das was bringt?

Immerhin ist Edmund Meyer, Landeschef der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG), optimistisch. Nach Gesprächen mit dem Vorstandschef des Spreequell-Mutterkonzerns Brau und Brunnen in Dortmund sagte Mayer gestern: „Die Hoffnung auf eine Lösung hat sich verstärkt.“ Der Konzern wolle nochmals alle Aspekte der geplanten Schließung überprüfen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen