: Joschka, abgeschlafft, hört Stimmen
Joschka Fischer war Sologast bei „Sabine Christiansen“. Der Abend dürfte die Bundestagswahlen entschieden haben
Gerhard Schröder war allein da. Edmund Stoiber war allein da. Joschka Fischer war jetzt auch allein da.
P.S.: Ein kleiner Nachtrag für all diejenigen, die sich nicht für Politik interessieren. Die wissen wollen, ob es über die Sendung irgendetwas zu berichten gibt. Gibt es. Bitte schön: Frau Christiansen trug einen hellen Rollkragenpullover. Stand ihr wirklich gut. Betonte ihr schmales Gesicht. Hat ja auch extrem abgenommen, die Christiansen. Und das alles wegen Ulla. Christiansen soll ja zu den Menschen gehören, die zuallererst im Kopf an Gewicht verlieren. Na ja, das geht jetzt vielleicht zu weit. Obwohl, ein interessantes Phänomen ist es schon: Was passiert bei denen, die im Kopf eh nichts mehr zu verlieren haben? Kann Sabine Christiansen ja mal eine Sendung drüber machen. Sabine Christiansen alleine bei „Sabine Christiansen“.
Joschka Fischer ist das ganze Gegenteil. Der hat einfach zu viel im Kopf. Irak. Israel. Palästina. Arafat. Scharon. Bush. Afghanistan. KSK. Ökosteuer. Kinderpolitik. Ostdeutschland. Westerwelle. Deswegen ist er wahrscheinlich auch wieder dicker geworden. Na ja, jetzt ist Wahlkampf, da kommt alles wieder runter.
Fischer hat schon ein erstes Zeichen gesetzt. Kam ohne Schlips zu Christiansen. Ohne Schlips! Einfach so! Der grüne Parteirat war nicht informiert. Mensch, der Joschka, der alte Sponti. Sah am Sonntag fast schon wieder aus wie früher. Mega-hip! Schärfer als Kylie Minogue bei der Verleihung des Brit Award.
Und wie er die Christiansen abgefrühstückt hat. Wollte die doch tatsächlich wissen, ob er vorige Woche aus Wahlkampfgründen in Israel wahr. Joschka legte seine Stirn in Falten, dann sagte er ganz lässig: „Frau Christiansen, ich weiß nicht, was Sie für Vorstellungen von Politik haben.“ Wir auch nicht.
Aber Christiansen ließ nicht locker. Brillierte mit ihrem angelesenen Nichtwissen. Fragte irgendwas zu Afghanistan. „Woher wissen Sie das?“, wollte Fischer wissen. Christiansen, ganz eingeschüchtert: „Man hört so Stimmen …“ Fischer lächelte überlegen. „Sie hören immer Stimmen, Frau Christiansen“, sagte er. Dann sein überraschendes Geständnis: „Ich höre auch immer Stimmen, besonders nachts bei mir zu Hause, die klingen ganz seltsam.“ Da sollte sich Stoibers Wahlkampfteam mal drum kümmern.
Christiansen bekam langsam mit, wo der Hase lang läuft. Versuchte noch einmal frech zu werden. „Wozu braucht Deutschland die Grünen?“, fragte sie. Peng! Das saß. Auf die Frage war Fischer nicht vorbereitet. Das Intellektuelle liegt ihm nicht so. Er taumelte für einen kurzen Moment. Dann fing er sich wieder. „Sonntag abends, wenn ich abgeschlafft nach Hause komme“ – Wow, dieser Konter! Fischer arbeitet sieben Tage die Woche! – „dann sehe ich oft Ihre Sendung, und ich muss sagen: Mit dem Guido gehen Sie sanfter um.“
Ach ja, Guido. Christiansen fiel jetzt noch was ein. „Verraten Sie uns, welche Stimmen Sie abends hören, Herr Fischer? Wollen Sie ein eigenes Duell mit Westerwelle?“ Auf so eine Frage muss man erst mal kommen. Und auf so eine Antwort auch. Fischer: „Um Gottes willen, das würde mich wieder zum Rotwein treiben.“ Das dürfte Deutschland gar nicht gut bekommen. JENS KÖNIG
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