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From Corinna with Love

■ Alle happy, glücklich und froh: Henning Scherf und Hartmut Perschau empfingen Bremens Grand-Prix-Anwärterin im Rathaus. Nur singen wollten die Bürgermeister nicht. Auch sechs Fans umjubelten Deutschlands Hoffnung für Tallinn

Küsschen links, Küsschen rechts: Der Scherf umarmt die May, hakt sich unter und geleitet sie zusammen mit dem Perschau in das Kaminzimmer des Rathauses. Ihr zu Ehren wurde hier gestern ein Senatsempfang geschmissen. Schließlich vertritt die Bremerin Gesamtdeutschland beim Grand Prix in Tallinn! Da zeigte Henning Scherf sich erst mal gewohnt zuvorkommend und erklärte der blinden Sängerin zuerst, wessen Kameras und Mikrophone denn da so auf sie gerichtet waren: „Da vorne ist das ZDF, die da links kommen von FFN, und der Weser Kurier ist auch schon da.“

In schwarzem Hosenanzug und silberner Dior-Brille mit graugetönten Gläsern stellte sich Corinna May anschließend dem großen Journalistenrudel. Gab geduldig Auskunft über ihr Bühnen-Outfit aus Lederhose, Mantel und Corsage (das Glück bringen soll), ihre CD und ihre Urlaubspläne vor dem Grand-Prix-Finale („Ich brauch' Sonne, vielleicht Mallorca“).

Happy, glücklich und immer noch froh sei sie angesichts des Sieges beim Vorentscheid in Kiel. Und „als Bremerin mit Leib und Seele sehr stolz“, die Stadt in Estland repräsentieren zu dürfen. Das könne sie auch sein, gerät Scherf ins Schwärmen. Ist doch Tallin wie Bremen eine alte Hansestadt.

„Ich habe gelesen, in der ,Bunten', sie besuchen Sex-Shops. Stimmt das?“ fragt eine Journalistin. Die Sängerin bleibt gelassen. „Da kaufe ich meine Dessous – String-Tangas, Bodies, BHs, alles mögliche. Die haben da ganz schöne Sachen. Warum auch nicht? Ich find' das normal“, ist die Antwort.

Natürlich ging es beim Senatsempfang, den die beiden Bürgermeister „zum Dank“ ausrichteten, auch um das eher Wesentliche, Mays Musik. „Ich singe keine Schlager. Das ist Pop“, klärte sie die Presse auf. Hört sich besser an, als als Schlager-Tussi in eine Schublade mit Mireile Mathieu gesteckt zu werden.

Dann der Höhepunkt: May schmettert ihren Siegertitel „I can't live without Music“ ins Mikro und schließt mit Vibrato. Live! Eigentlich sollte die Darbietung zum Pop-Dreier zusammen mit den beiden Regierungschefs ausarten. Perschau erkannte zwar fachmännisch einen jazzigen Einschlag, doch hielten sich beide zurück (“So hoch kommen wir eh nie!“).

Genaugenommen waren auch sechs Fans da. Das liege daran, dass die jungen Leute in der Schule, die anderen auf Arbeit seien, empört sich eine ältere Dame. Zunächst ist ihr Idol aber noch mit den Journalisten beschäftigt. Die haben sich ausgedacht, dass Corinna noch eine kurze Version vom Nummer-1-Hit ihrer Delmenhorster Kollegin Sarah Connor fürs Fernsehen geben könnte. Das tut sie, ganz Profi, tatsächlich und singt „From Corinna with Love“ vor den Kollegen von RTL, die sich sichtlich einen Wolf freuen. Und noch eine kleine musikalische Sensation: Sogar ein Duett mit Connor könne sie sich vorstellen, vorausgesetzt man finde stimmlich und persönlich zueinander. Ob's am Weser-Wasser liege, dass hier oben so tolle Stimmen reiften? Das weiß auch May nicht.

Am Ende bedanken sich Scherf und Perschau. „Und ich bin mir sicher“, so Scherf, „es gibt ganz viele Leute in Bremen, die genauso denken wie wir“. „Herr Scherf, sie sprechen mir aus dem Herzen“, bestätigt die Fanin, die bis zuletzt als einzige ausgeharrt hat, doch dafür selig ihr Autogramm bewundert. Roland Rödermund

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