: Feldzug gegen Westberlin
Im Kulturausschuss des Abgeordnetenhauses stand der Wegfall der Subventionen für die Hansa-Bühne und das Schlosspark-Theater auf dem Spielplan. Brillant: Heribert Sasse als zorniger Intendant
von PHILIPP GESSLER
Was für ein Auftritt! Heribert Sasse lümmelt scheinbar gelangweilt auf seinem Stuhl, den Abgeordneten bestenfalls seine linke Seite zugewandt. Seine Gesichtsfarbe geht ins Rötliche, die leicht hervorquellenden Augen wandern unruhig hin und her, suchen immer wieder den Kontakt zu den Zuhörern in seinem Rücken. Dann endlich bittet Alice Ströver, die Vorsitzende des Kulturausschusses des Abgeordnetenhauses, den Intendanten des Schlosspark-Theaters um seine Stellungnahme zu der geplanten Streichung der Subventionen für seiner Privatbühne. „Eine Stellungnahme!“, ruft der Schauspieler, nein, die habe er nicht abzugeben. Jedoch: Er habe „große Angst nicht um mich, sondern um Berlin“. Er wolle nicht um das Geld streiten. „Ich bin es müde, zu erklären, was ich bin und was ich mache.“ Nicht er müsse um sein Bleiben kämpfen: „Sie haben zu kämpfen, dass ich bleibe.“
In einem der überdimensionierten Besprechungssäle des Abgeordentenhauses diskutierten gestern die Kulturpolitiker über Trauriges: die drohende Schließung von zwei Theatern der Hauptstadt. Besprochen wurde ein Gutachten, das der frühere Kultursenator Christoph Stölzl (CDU) in Auftrag gegeben hatte: Kulturexperten überprüften im Auftrag des Senats die privaten Bühnen, die in den vergangenen Jahren von der öffentlichen Hand „Konzeptförderung“ erhalten hatten. Sie empfahlen, dem Volkstheater Hansa und dem Schlosspark-Theater für den Zeitraum 2003 bis 2006 keine Subventionen mehr zu geben. Begründung: Das Hansa-Theater habe einen „verstaubten Stil“, urteilten die Gutachter. Es liefere „nicht geistreiches, sondern äußerst zähes, müdes Boulevardtheater“, das „nicht die Spur des schnellen Berliner Witzes“ habe. Das Schlosspark-Theater habe in der Berliner Theaterlandschaft „keinen originären Stellenwert“, die künstlerische Qualität sei „zweifelhaft“. In Zukunft sollten andere Bühne Geld erhalten, etwa die Zeitgenössische Oper.
Dass die Subventionsstreichung das Aus für beide Häuser bedeuten würde, war klar, und so stellten CDU und FDP im Kulturausschuss Anträge zum Erhalt der beiden Theater. Der CDU-Abgeordnete Michael Braun warf dem Senat vor, er führe mit dem geplanten Wegfall der Subventionen „einen Feldzug gegen das alte Westberlin“. Der Direktor des Volkstheaters Hansa, Pietro Maniscalco, sagte, er komme sich vor wie ein zum Tode Verurteilter, dem noch einmal das Recht auf ein letztes Wort eingeräumt werde. Er werde wohl zum Ende dieses Jahres sein Haus schließen. Erste Kündigungen habe er schon aussprechen müssen.
Staatssekretärin Krista Tebbe erklärte in Vertretung von Kultursenator Thomas Flierl (PDS): Der Senat wolle dem Gutachten folgen und beiden Bühnen ab 2003 keine Konzeptförderung mehr gewähren. Das Schlosspark-Theater könne man anderweitig nutzen, etwa als Kinderbühne. Die bei beiden Bühnen eingesparten Mittel sollten auch weiter der Kultur zur Verfügung stehen – wenn die Resultate der Haushaltsberatungen dies erlaubten. Am Ende lehnten SPD und PDS die Anträge zum Erhalt der Subventionen für Schlosspark-Theater und Hansa-Bühne mit ihrer Regierungsmehrheit ab. Das Theatersterben in der Hauptstadt geht weiter.
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