: Andere Atmosphäre
Kein Slam: Die Lesungen der Unheimlichen Dichterinnen bieten für neue Lyrikerinnen immer ein offenes Forum ■ Von Ariane Dandorfer
„Wir inspirieren uns gegenseitig,“ sagt Anja Reimers und erntet zustimmendes Nicken von Saza Schröder und Anke Schulz. Drei der fünf „festen“ Unheimlichen Dichterinnen sitzen da und erzählen: von einer Lyriksendung im Radio, bei der sie sich zum ersten Mal begegneten, von einer Party, die zur Lesung mutierte, von der Rolle der Lyrikgruppe für die eigene Kreativität.
Begonnen hat alles damit, dass Svenja Genthe von Radio St. Paula die Idee hatte, eine Sendung mit Frauen und deren Gedichten zu gestalten. Mit einen Radio-Jingle forderte sie Hörerinnen auf, sich mit ihren Werken zu bewerben. „Nach der Sendung saßen wir im Hof, tranken Sekt und beschlossen, uns nie mehr zu trennen“, erinnert sich Anja Reimers. Als erstes planten sie ein gemeinsames Fest. Während der Vorbereitung entstand die Idee, das Feiern mit einer öffentlichen Lesung für Frauen zu verbinden, an der sich auch neue Autorinnen beteiligen konnten. Damit war das Konzept geboren. Ermuntert von der Resonanz laden die Unheimlichen Dichterinnen seitdem viermal im Jahr zu männerfreien Lesungen ins Haus Drei.
Trotz des offenen Konzeptes sei das Niveau erstaunlich hoch, finden die Dichterinnen: „Nur ein, zwei Mal wurde etwas Grenzwertiges vorgetragen.“ Doch selbst wenn ein Text zu sehr nach „Blümchen“ klingen würde: das Gelesene wird grundsätzlich nicht zerpflückt. „Es herrscht eine ganz andere Stimmung als auf den Poetry Slams“, erklärt Saza Schröder. Das stetig zunehmende Publikum schätze ihrer Meinung nach gerade diese Atmosphäre. Und wohl auch die Qualität der Gedichte, die von Alltag, Liebe, Politik – was eine eben so bewegt – handeln.
Für Anja Reimers, die auch Fotografin ist, sind Gedichte „wie Bilder, in denen ich Erlebtes festhalten kann“. Als Kind schrieb sie ihre Reime auf, sobald sie einen Stift vernünftig halten konnte. Reimers Teilnahme an der Radio St. Paula-Sendung fiel in die Zeit, als sie die Früchte ihrer Kreativität zusammensuchte und abtippte. Mittlerweile zeigt sie die Texte kombiniert mit ihren Fotos auch in Ausstellungen.
Wenn Saza Schröder früher Gedichte aufsagen musste, habe sie die Verse, die ihr entfallen waren, einfach durch eigene ergänzt. „Es fiel fast nie auf“, amüsiert sie sich im Nachhinein. Als junge Frau las sie oft auf Lyrikabenden, bis sie begann, für eine französische Traves-tie-Show Bilder zu malen: „Wir zogen ständig herum, die Atmosphäre war schrill, da fand ich nicht mehr die Ruhe zum Dichten.“ Danach hatte Saza Schröder ihre eigene Chansontruppe und textete für's Kabarett. Mit reiner Lyrik beschäftigt sie sich erst wieder seit ihrem Einstieg bei den Unheimlichen Dichterinnen. Ein Lyrikband mit dem verheißungsvollen Titel Giftgrün und Libidorot und der Lyrikpreis der Universität Bamberg sind die vorzeigbaren Folgen.
Anke Schulz bekam von ihrer Mutter, die das Arbeiterkind mit Kultur fördern wollte, schon als Kleine unzählige Gedichte vorgelesen. Ebenfalls früh am Reimen, veröffentlichte sie als junge Erwachsene ihre erste Erzählung. Doch der von ihr als elitär empfundene Stil des offiziellen Kulturbetriebs ging ihr zunehmend auf die Nerven. Die Lust, öffentlich zu lesen kam ihr erst wieder bei den Unheimlichen Dichterinnen.
Gelegenheit, mit ihnen gemeinsam aufzutreten, bietet sich schreibenden Frauen auf der kommenden Lesung, die am 19. März um 20 Uhr, im Haus Drei stattfindet. Da können Lyrikfreundinnen hören, wozu sich die Unheimlichen Dichterinnen vom diesmaligen Motto „LebensFluss“ haben inspirieren lassen.
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