lies mich
: Burdas Geheimnis

„Die Burdas“, Europa Verlag

Sollte die Geschichte der Verlegerfamilie Burda verfilmt werden, müsste man sich in der Rolle des Patriarchen Walter Sedlmayr vorstellen – mit badischem Akzent. Im Gegensatz zum großbürgerlichen Axel Springer alias Heiner Lauterbach in „Der Verleger“ blieb Franz Burda (1903–1986) ein bodenständiger Mann mit einem Hang zu deftiger Wurst.

 Sein Offenburger Unternehmen führte er noch wie einen Familienbetrieb, als es längst zum Konzern geworden war. Für den Jet-Set-Faktor war seine Frau Aenne zuständig, deren Imperium burda Moden mit der Lebenslust Franz Burdas zu tun hat: Als ihr seine Seitensprünge auf die Nerven gingen, verlangte sie einen eigenen Verlag.

 Das alles erzählt der Journalist Peter Köpf in seiner Monografie. Der Autor hat beim Offenburger Tagblatt volontiert, kennt die gottgleiche Stellung der Familie in ihrer Heimat und bekam erstmals Zugang zum Burda-Archiv. Sein Buch ist jedoch keine Hommage geworden: Denn Köpf beschäftigt sich ausführlich mit der Geschichte Burdas im Nationalsozialismus.

 Berührungspunkte zwischen dem Verlag und den Nazis waren zwangsläufig. Schließlich war das Radio das wichtigste Propagandamedium, und Franz Burda verdiente sein Geld seit 1927 mit einer Rundfunk-Programmzeitschrift. Köpf hat recherchiert, dass Burda erst 1938 in die NSDAP eintrat, vorher aber beim Nationalsozialistischen Kraftfahrkorps aktiv war, dass er mit dem Gauleiter auf die Jagd ging und in seiner Zeitschrift plötzlich gegen Jazz und Marxismus wetterte. Später profitierte Burda von der Arisierung einer Mannheimer Druckerei und stellte für den Generalstab Luftwaffenkarten her. An die Lizenz für den Bunte-Vorläufer Das Ufer kam Burda 1948 nur über eine Strohfrau, weil ihn die französichen Besatzungsbehörden als „notorischen Nazi“ einstuften.

 Die Kapitel über den Verleger zwischen Verstrickung und Mitläufertum sind die spannendsten Passagen des Buches. Angesichts der jüngsten Burda-Vergangenheit mutiert der Autor allerdings zum Branchenreporter: Der Flop Vivi@n sowie der Erfolg von Focus gehen in einer Fülle von Redaktionsinterna unter, die wahrscheinlich nur direkt betroffene Kollegen interessiert. MALTE OBERSCHELP