: Die Stunde der Möchtegern-Sieger
Im Streit um die haushaltsrechtlich korrekte Formulierung der Militärairbus-Bestellung deutet sich eine Lösung an. Wie die genau aussieht, will aber noch niemand verraten. Hauptsache, alle können sich als Sieger präsentieren. Und das tun sie
aus Berlin JENS KÖNIGund MATTHIAS URBACH
Katrin Göring-Eckardt brachte die verworrene Lage im Airbus-Streit auf den Punkt: „Es gibt einfache Lösungen und andere Lösungen“, sagte die grüne Abgeordnete. „Wir haben uns für eine andere Lösung entschieden.“
In der Tat, die Lösung der 176. Krise um den Kauf des Militärtransporters A400 M ist alles andere als einfach. Um nicht zu sagen: Sie ist kaum noch zu verstehen. Das Schöne daran: Jeder kann sich als Sieger fühlen.
SPD-Fraktionsvize Peter Struck fühlte sich gestern als Sieger, weil eine Lösung gefunden sei und es „bei der alten Entschließung“ bleibe. Verteidigungsminister Rudolf Scharping (SPD) kann sich als Sieger fühlen, weil Grünen-Fraktionschefin Kerstin Müller für ihn den Satz sagte, sie sehe keinen „Nachbesserungsbedarf bei Scharping“. Und Haushälter und Unfriedenstifter Oswald Metzger fühlte sich als Sieger, weil „das Bewusstsein über haushaltsrechtliche Problematik in den Führungsspitzen Einzug gehalten hat“.
Wahrscheinlich hat Metzger damit den Punkt getroffen. Denn das Haushaltsrecht ist offenbar auch für manchen Politiker überkomplex. Das wird immer dann ein Problem, wenn die Opposition vors Verfassungsgericht ziehen will. Und das hatte Unions-Fraktionschef Friedrich Merz gestern noch einmal angekündigt. Außerdem verlangte die Union eine Anhörung im Haushaltsausschuss – und tat Rot-Grün damit einen Riesengefallen. Denn durch die Anhörung verschiebt sich die für heute vorgesehene Entscheidung des Haushaltsausschusses um eine Woche. Eine Woche Zeit, um eine bessere Vorlage vorzulegen.
Details wurden allerdings gestern nicht verbreitet. Metzger deutete eine Lösung lediglich an. Die Bestellung der Airbusse solle von einem möglichen Schadenersatz „entkoppelt“ werden. Dazu werde es in den kommenden Tagen Verhandlungen mit den Bündnispartnern geben.
Um das besser zu verstehen, sei noch einmal das Problem skizziert: Bei dem umstrittenen Antrag im Haushaltsausschuss geht es um die Vorlage Scharpings für die Beschaffung von insgesamt 73 Flugzeugen. Mit der Vorlage sollte die erste Tranche von 5,1 Milliarden Euro für den Kauf von rund 40 Flugzeugen freigegeben werden. Die restlichen Milliarden sollen erst im Jahre 2003 vom neu gewählten Bundestag freigegeben werden. Die erste Rate hatte Scharping den europäischen Partnern des Airbus-Projekts bis Ende März versprochen. Zudem hatte Scharping ihnen in einem „Side letter“ Schadenersatz zugesichert, falls der nächste Bundestag die übrigen Maschinen doch nicht bestellt. Dieser Satz soll nun durch eine „verfassungsgemäße Formulierung“ gegenstandslos gemacht werden. Damit umginge die Regierung das Risiko, bis zu zwei Milliarden Euro Schadenersatz aufbringen zu müssen.
Dies zu erläutern, überließ die grüne Fraktionsspitze dann doch lieber ihrem Haushälter Metzger. Fraktionschef Rezzo Schlauch stellte sich dabei demonstrativ neben ihn. Es sollten eben alle wie Sieger aussehen.
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