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Freunde und Helfer

Wegen Drogenhandels wird gegen 111 Personen ermittelt, darunter 27 Polizisten. Ein Installateur wurde zu über drei Jahren Haft verurteilt. „Bullenkalle“ im April vor Gericht

Ein Drogenskandal bei der Berliner Polizei von unbekannten Ausmaßen sorgt zurzeit nicht nur im Kriminalgericht Moabit für Aufsehen. Auch bei der letzten Sitzung des Parlamentarischen Innenausschusses waren die groß angelegten Ermittlungen wegen Handel mit Betäubungsmitteln und Anabolika sowie Datenmissbrauch gegen 111 Personen – 27 davon Polizisten – Thema.

Als Hauptbeschuldigter gilt ein 33-jähriger Polizeimeister mit dem Spitznahmen „Bullenkalle“, der sich im April allein wegen 558 Straftaten vor Gericht verantworten muss. „Wenn das stimmt“, so der grüne Innenpolitiker Wolfgang Wieland mit Verweis auf die lange Liste der Vorwürfe, „dann ist das ein starkes Stück.“ Den SPD-Innenpolitiker Klaus-Uwe Benneter beschlich gar die Sorge: „Macht sich da eine subversive Organisation bei der Polizei breit?“

Dabei ist es schon genau ein Jahr her, dass bei „Bullenkalle“ und Konsorten die Handschellen klickten. Aber das ganze Ausmaß wird den Politikern offenbar erst im Zuge der justiziellen Aufarbeitung klar. Bevor es im April gegen die Hauptbeschuldigten zur Sache geht, wird zurzeit gegen einige Randpersonen verhandelt.

Mitte Februar wurde ein arbeitsloser Bauhelfer wegen Drogenhandels, Betrugs und Bestechung in über 50 Fällen zu zwei Jahren und neun Monaten Haft verurteilt. Gestern stand ein 42-jähriger Elektroinstallateur wegen Handels mit 300 Gramm Kokain vor Gericht. Er bekam eine Freiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten.

Zum Kundenkreis des Installateurs gehörten auch zwei Polizisten; einer davon war „Bullenkalle“. Das Trio hatte sich im Neuköllner Fitnessstudio „Fit for fun“ kennen gelernt, gemeinsam Bier gezecht und die eine oder andere Linie Kokain geschnieft. Die Beamten hätten sich gleich zu Anfang als Polizisten zu erkennen gegeben, sagte der Angeklagte gestern. „Ich solle mir aber keine Sorgen machen, sie seien sehr flexibel“, habe es geheißen. „Kalle kam sogar einmal in Uniform. Ich dachte: Was ist nun los? Da hat er gelacht.“

Gemessen an den Vorwürfen, die in den kommenden Verfahren im Raum stehen, ist der Elektroinstallateur ein kleiner Fisch. Die beschuldigten Polizisten gehören alle dem mittleren Dienst an und verkehren in der Bodybuilderszene. Im Zentrum steht der Abschnitt 45 in Steglitz, aber auch Beamte aus anderen Stadtteilen sollen in den Skandal involviert sein. Nach seiner Festnahme hat „Bullenkalle“ ein umfassendes Geständnis abgelegt. Von einem befreundeten Apotheker, der gleichfalls im April vor Gericht stehen wird, bekam er weit über 100 Päckchen Anabolika, die er neben Kokain an seine Kollegen weiterreichte.

In den Verfahren geht es aber auch um Datenmissbrauch. Im Klartext: Beamte ließen sich bestechen, indem sie im Tauschgeschäft für Drogen Daten aus dem Polizeicomputer an die Unterwelt herausgaben.

Im Gegensatz zu allen beschuldigten Polizisten, die sich bereits nach zwei Monaten sämtlich wieder auf freiem Fuß befinden, schmoren die kleinen Dealer in Untersuchungshaft. Auch dem Elektroinstallateur, der keine einschlägigen Vorstrafen hatte, wurde gestern eine Haftverschonung verwehrt.

Bei der letzten Innenausschusssitzung bemühte sich Innensenator Körting um Schadensbegrenzung. Unter 27.000 Berliner Polizisten gebe es „auch mal das eine oder andere schwarze Schaf“, sagte er. Diese Worte brachten den Grünen Wieland erst richtig auf die Palme. Das sei das herkömmliche Reaktionschema, das man schon von den CDU-Innensenatoren kenne, so Wieland. In Wirklichkeit handele es sich wohl um „eine schwarze Herde“.

PLUTONIA PLARRE

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