Exgeneral in diplomatischer Mission

Der US-Nahostbeauftragte Anthony Zinni soll sich zum zweiten Mal für einen Waffenstillstand in Israel einsetzen

„Politisch erreichen wir kurzfristig viel, auf Dauer sind wir keine Lösung“, sagte Anthony Zinni vor einem Jahr vor Studenten der Universität Berkeley. Als US-Nahostbeauftragter soll er in diesen Tagen zum zweiten Mal innerhalb eines halben Jahres versuchen, sich für einen Waffenstillstand und einen Abzug der israelischen Truppen in den besetzten palästinensischen Autonomiegebieten stark zu machen. Beim ersten Mal im Dezember gelang ihm das nicht mal für 48 Stunden.

Zinni bezog seine Äußerung vor einem Jahr auf die militärische Präsenz der USA in der arabischen Welt. Denn dort war der jetzt 55-Jährige vor seinem Ruhestand in den letzten zehn Jahren aktiv: zunächst während des Golfkrieges gegen den Irak als Kommandierender von US-Einheiten in der Türkei, später im Nordirak, ab 1997 dann als General einer 36.000 Truppen starken Streitkraft in Saudi-Arabien. In dieser Zeit lernte er nicht nur intensiv Arabisch und traf sich mit sämtlichen Führern der arabischen Welt, sondern studierte auch die Gepflogenheiten dieser Region. Das bringt ihm heute, neben seinen militärischen Kenntnissen, auch den Ruf eines Nahostexperten ein.

Dabei hat er während seiner militärischen Laufbahn vorwiegend schlechte Erfahrungen gemacht: Schon während des Vietnamkriegs 1967, als er als US-Marineoffizier die südvietnamesische Regierung beriet, kritisierte er die USA dafür, dass sie Konflikte zu sehr mit westlichem Blick sähen. Deswegen seien die Amerikaner in Vietnam gescheitert. Er zog seine Lehren, lernte Vietnamesisch und versuchte, die südostasiatische Mentalität besser zu verstehen. Sein Erfolg blieb aber aus, denn die meiste Zeit seiner zweiten Vietnam-Mission ab 1970 verbrachte er im Lazarett auf dem US-Stützpunkt auf Okinawa.

Seinen größten Rückschlag musste er 1992 als Kommandierender der US-Streitkräfte in Somalia hinnehmen. „Wir wagten dort den Schritt, über den humanitären Einsatz hinaus einen Staat aufzubauen“, erinnert er sich. Der US-Einsatz endete mit einer bitteren Niederlage.

Bevor er vergangenes Jahr in den Ruhestand ging, reiste Zinni mehrere Monate durch Zentralasien, um die US-Beziehungen zu Turkmenistan, Usbekistan und Kasachstan zu intensivieren. Schon vor den Anschlägen am 11. September warnte er vor neuen Gefahren und nannte nichtstaatliche Organisationen als Quelle möglicher Konflikte.

Die Nominierung des Marinegenerals als Topdiplomat im Konflikt zwischen der israelischen Regierung und der palästinensischen Autonomiebehörde entsprang wohl vor allem politischen Erwägungen im Weißen Haus. US-Präsident George W. Bush und seine Administration setzen mit Collin Powell sehr stark auf das Know-how von Militärstrategen. Vor allem aber wollte Bush dem zweiten Nahostbeauftragten aus dem Lager der Demokraten, dem Diplomaten William Burns, jemanden aus seinen Reihen entgegensetzen. Zinnis diplomatisches Gespür hält sich trotz seiner Nahostkenntnisse in Grenzen. Seine ersten Vermittlungsversuche im Januar scheiterten unter anderem daran, dass er Palästinserpräsident Jassir Arafat als „Lügner und Mafiosi“ bezeichnete. Vielleicht entschied sich das Weiße Haus aber auch nur deswegen erneut für Zinni, weil er Erfahrung mit Arabern und ungelösten Konflikten hat. FELIX LEE