: Kölner SPD-Mann packt aus
Die Staatsanwaltschaft hat von der zentralen Figur des Kölner Parteispendenskandals umfangreiche Informationen erhalten: Es geht um Bestechung. Auch der Berliner Parteispendenausschuss interessiert sich für den Köln-Clan – besonders die CDU
von S. SEDLMAYR UND C. FÜLLER
Der kleine dicke Mann mit dem gewinnenden Lächeln muss in den letzten Tagen päckchenweise Zigaretten verbraucht haben. Norbert Rüther, Exfraktionschef der Kölner SPD, hat laut Staatsanwaltschaft „umfangreiche Angaben“ zur Spendenpraxis seiner Partei gemacht. 830.000 Mark soll Rüther von verschiedenen Spendern angenommen haben.
Rüthers Aussage dürfte unangenehme Folgen für die Spender haben. Staatsanwältin Regine Appenrodt kann nun mit ihren Ermittlungen beginnen, die vielleicht Aufklärung über Schmiergeldzahlungen für die Kölner Müllverbrennungsanlage bringen können. Dass beim Bau der Anlage nicht alles mit rechten Dingen zugegangen ist, glauben mittlerweile nicht mehr nur Anti-Müll-Initiativen. Rund 850 Millionen Mark hat der überdimensionierte Müllofen gekostet. 29 Millionen Mark sollen sechs Firmen an Schweizer Briefkastenfirmen verschickt haben, um von dort aus Schmiergeldzahlungen zu tätigen.
Wie die Süddeutsche Zeitung unter Berufung auf Justizkreise berichtet, habe Rüther in den 90er-Jahren von einem Depot in Zürich im Beisein eines Mitarbeiters der Firma Steinmüller 70.000 Mark abgeholt. Sie könnten Teil jener 830.000 Mark sein, die Rüther in die Kasse der Kölner SPD fließen ließ. Steinmüller war von Exregierungspräsident Franz-Josef Antwerpes (SPD) als Generalunternehmer für den Bau der MVA bereits 1992 empfohlen worden. Seine Gummersbacher Firma erhielt 1994 den Zuschlag, obwohl Steinmüller bei der Ausschreibung wohl nur auf Platz drei gelandet war. Die Grüne Petra May, 1994 im Aufsichtsrat der Abfallverwertungsgesellschaft AVG, bestätigt der taz, dass Steinmüller „nicht erste Wahl“ gewesen sei.
Die AVG ist ein teilprivates Unternehmen, in dem zum Zeitpunkt der Ausschreibung, der Genehmigungsverfahren und des Baus der MVA 74,9 Prozent in städtischer Hand lagen. Der ehemalige Geschäftsführer der AVG sitzt in Untersuchungshaft.
Auch der Berliner Untersuchungsausschuss, der sich im Jahr 2000 für die Parteispendenaffäre der CDU konstituierte, interessiert sich für die Kölner Müll-und-Geld-Story – mit verteilten Rollen. Die Sozialdemokraten wollen schleunigst hohe Parteifunktionäre wie Generalsekretär Franz Müntefering oder den SPD-Landeschef Harald Schartau im Ausschuss anhören. Die CDU will das ebenfalls, wenn auch mit Geduld. „Es geht um eine sachbetonte und fundierte Befragung von Herrn Müntefering“, sagte Andreas Schmidt, der CDU-Obmann im Parteispendenausschuss. Schmidt präsentierte gestern umfangreiche Ermittlungsanträge – die nun gründlich abzuarbeiten seien.
Während die SPD darauf drängt, den Abschlussbericht des Ausschusses noch vor Sommer und Wahlkampf fertig zu stellen, hat die CDU da eine andere Planung. Die CDU-Affäre, so Schmidt, „ist abgeschlossen“ und könne in einem Zwischenbericht abgehakt werden. Die SPD-Affäre müsse nun aufgerollt werden. Notfalls durch Sondersitzungen des Parlaments im Spätsommer – also vor der Wahl.
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