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Bezirke schwimmen daneben

Senat und Rat der Bezirksbürgermeister können sich nicht über Finanzen einigen. Wowereit pfeift Finanzsenator offenbar zurück. Sarrazin hatte zunächst betont, Bezirksforderungen nachkommen zu wollen. Bezirke drohen mit Klage

Der Finanzstreit der zwölf Bezirke mit dem rot-roten Senat um eine flexible Haushaltswirtschaft schwelt weiter. Entgegen vorheriger Ankündigungen von Finanzsenator Thilo Sarrazin (SPD) ist bislang nicht entschieden, ob die Bezirke im Doppelhaushalt 2002/2003 wie bisher eigene Schwerpunkte setzen können. Ungeklärt ist auch, ob angesichts der Milliardenlücken im Landeshaushalt Einsparungen der Bezirke beim Personal für Sachmittel ausgegeben werden dürfen. Vor diesem Hintergrund drohen die Bezirke weiterhin mit einer Verfassungsklage. Sie sehen ihre in der Landesverfassung durch das so genannte Globalsummenprinzip garantierte Handlungsfreiheit in Finanzfragen gefährdet.

Er könne durchaus eine gemeinsame Linie erkennen, sagte Sarrazin am Donnerstag nach einer Sitzung des Rats der Bürgermeister. So seien die 18 Millionen Euro Einsparsumme der Bezirke für 2002 und 2003 nicht strittig. Bei den Personaleinsparungen werde nach einer „Mechanik“ gesucht, den Bezirken „finanzielle Anreize“ zu geben. Der Senator sprach sich allerdings dagegen aus, die Einsparsumme in voller Höhe den Bezirken zu überlassen. Sie solle vielmehr teilweise für die Konsolidierung des Landeshaushalts genutzt werden. Dagegen hatte der Senator am Vortag vor den Finanzstadträten sowie noch unmittelbar vor der Sitzung des Rats der Bürgermeister betont, den Forderungen der Bezirke nachkommen zu wollen.

Die Bezirksbürgermeister äußerten sich nach dem Gespräch enttäuscht. Der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) habe eine weitere Diskussion angemahnt und den Senator zurückgepfiffen, hieß es im Kreis der Kommunalpolitiker. „Einigen meiner Kollegen ist der Unterkiefer runtergeklappt“, sagte Reinickendorfs Bürgermeisterin Marlies Wanjura (CDU). Neuköllns Bürgermeister Heinz Buschkowsky (SPD) betonte, die durch Personaleinsparungen gewonnenen Mittel seien für die Bezirke so wichtig, weil auf anderem Wege kein zusätzliches Geld in die Kasse komme.

„Ich habe von Verfassungsklage nichts gehört“, betonte hingegen Wowereit. Die Bezirke hätte ihre Bereitschaft zu konstruktiver Mitarbeit erklärt. In einigen Fragen fühlten sich die Bezirke übergangen, etwa beim zentralen Schulsanierungsprogramm. Auch die Personaleinsparungen sollen nach der Sparklausur des Senats am Wochenende noch einmal diskutiert werden. Dies soll mit den drei Sprechern des Rats der Bürgermeister am Dienstag vor dem Beschluss des Etatentwurfs 2002/2003 durch den Senat erfolgen. Nach Darstellung von Wowereit sind die geplanten Einsparsummen der Bezirke im Vergleich zur Hauptverwaltung „moderat“.

„Der Senat sitzt im Boot und wir schwimmen daneben“, verdeutlichte Köpenicks Bürgermeister Klaus Ulbricht (SPD) die Lage. Bürgermeister Wolfram Friedersdorff (PDS) verwies darauf, dass in Lichtenberg innerhalb weniger Jahre das Geld für Sachausgaben um mehr als die Hälfte gekürzt wurde. Wanjura sagte, ihr Bezirkshaushalt sei gemessen an den tatsächlichen Erfordernissen nur zu knapp zwei Dritteln gedeckt. DDP

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