: Polizisten-Kasperl
■ Prävention aus dem Handgelenk: Puppenbühne der Bremerhavener Polizei soll jetzt unter den Jugendlichen Zivilcourage und Gewaltvermeidung vorantreiben
Vorrübergehend den Revolvergriff tauschen gegen den Holzstil einer Handpuppe aus Pappmaché? Als Polizist mit Puppen spielen? No way! dachten anfangs die Bremerhavener Polizisten. Wo man doch ein harter Kerl ist. Und wenn schon spielen, dann höchstens Fußball oder PC-Baller-Games.
Und dann das: Vor versammeltem, kräftig applaudierendem Kollegium stehen die fünf männlichen und drei weiblichen Ordnungshüter in Reih und Glied im Seminarraum des Wremener „Marschenhofs“. In der einen Hand tatsächlich eine Handpuppe, selbstgebastelt, in der anderen eine Rose. Soeben war Premiere vom polizeilichen Handpuppen-Stück „Mut tut gut“.
Dem Bremerhavener Kommissar Thorsten Gerdes gelang es, acht seiner KollegInnen zu mobilisieren, sich eine Woche lang in einer „fachkundigen Ausbildung“ zum „Puppenspielführer“ weiterbilden zu lassen. In dem Stück geht es um Gewalt unter Jugendlichen, und der will man puppenspielend im Rahmen des EU-Projektes „Aktion Zivilcourage“ im Bremerhavener Stadtteil Geestendorf vorbeugen.
Hinter einer Holzbühnen-Wand mit Klinkerstein-Tapete stehen die PolizistInnen Anja Dähne, Charly Eilers und Silvia Wedemeyer und zeigen, wie Leon, „so'n richtiges Arschloch“ und Beispiel für gründlich missglückte oder gar nicht vorhandene Erziehung dem kleinen Benny Geld klaut, ihn verprügelt und seine neue Baseball-Kappe abzieht, aber dann verhaftet wird, weil die toughe Annika dem Benny rät, den bösen Leon anzuzeigen.
Die Polizisten lassen jedoch nicht nur die Puppen tanzen: Vierte bis Achte Schulklassen werden künftig in den gewaltpräventiven Maßnahmen von ihren Lehrern auf das Thema vorbereitet, schauen sich das Stück an, das als Diskussions- und Aufklärungsgrundlage gedacht ist. Ein anschließender Elternabend, auf dem „Mut tut gut“ auch präsentiert wird, soll die Aktion abrunden, denn „Wir wissen ja, dass Gewalt erlernt wird, und je mehr Eltern wir damit erreichen, desto besser“, so Gerdes. Vor allem das Anzeigeverhalten wolle man ändern und kriminelle Karrieren möglichst früh stoppen.
Richtig engagiert waren seine KollegInnen nach anfänglichem Zögern, erzählt der Kommisssar, der das Projekt schon seit einem Jahr mit dem obersten „Polizeipuppenführer“ Michael-Frank Kressin vom Polizeifortbildungsinstitut in Neuss vorbereitet hatte – die Vorlage schrieben beide zwischen Bremerhaven und Neuss per eMail. Schließlich habe niemand schauspielerische Erfahrung, und nach der Fortbildung geht es ja auch gleich wieder in die „Frühschicht, zum Verbrecher-Fangen“. Sich danach wieder in die Puppe hineinzufühlen, das sei gar nicht so einfach. Schon deshalb nicht, weil einige AkteurInnen aufgrund der Puppenhalte-Technik mit Rückenschmerzen zu kämpfen hatten und gar massiert werden mussten.
In der Tat sieht es ein wenig skurril aus, wie sie da so in ihren Uniformen stehen, die Puppen halten und von Schauspielkunst sprechen. Einer erzählt, dass man sich hochkonzentriert „in die Puppen-Biographie hineindenken“ müsse. Und das Textlernen gar nicht so einfach sei, aber Hauptsache man käme glaubhaft rüber.
Neben der wichtigen pädagogischen Maßnahme ist das sicherlich auch eine tüchtige Aufpolierung des Polizei-Images (vorausgesetzt die Zielgruppe der 10- bis 14-Jährigen wird noch erreicht): Gab es im guten alten Seid-ihr-alle-daaaa?-Kasperletheater stets die Oberwachtmeister-Puppe mit grauem Schnauzbart, so taucht er am Ende von „Mut tut gut“ in realo auf. Der echte Polizist „Herr Schur“ gibt Puppe Benny seine gestohlene Kappe zurück. Da ist Benny aber froh, denn wo die Eltern oder Lehrer einem nicht helfen, kann man sich in jeder Notlage stets auf einen netten „Freund und Helfer“ verlassen. Roland Rödermund
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