: Taxi mit Wumme
Otto Schilys Erbe: Innere Sicherheit in der Schleuder
Im Taxi wird der hohle Satz endlich wahr: Nichts wird so bleiben, wie es war. Sondern so werden, wie es in einigen Taxis schon ist: supersicher. „Ich bin doch nich’ bekloppt“, antwortet der überaus intelligente Chauffeur auf die Frage, ob Rauchen gestattet sei. „Das ist ein Nichtrauchertaxi, so viel ist sicher!“ So viel will der Fahrgast gar nicht wissen, doch erfährt er gleich noch, dass er, der gar nicht bekloppte Taxifahrer, eben ein „eingetragenes Nichtrauchertaxi“ lenke, wegen der Brandgefahr, der Nikotinablagerungen und der „aggressiven Raucher“, deshalb aber auch keine Kneipenfahrten bekomme, ganz schön mies gelaunt sei und überhaupt auf das ganze Studentenpack mit seinen 3-Euro-Kurzstrecken gern verzichten könne, „so viel ist sicher“.
Sicher ist auch der Innenraum des Taxis. Supersicher: Ein kleines Objektiv in der Sonnenblende ist mit dem Videorekorder im Kofferraum verbunden, der alles aufzeichnet. „Ja klar wird alles gefilmt, ich bin doch nich’ bekloppt, alles auf Kassette, so viel ist sicher“, sagt der Sicherheitsfahrer auf Nachfrage. Ob er sich seine stumpfsinnigen Taximonologe abends zusammen mit seiner Frau noch einmal ansieht? Gar beschriftet und archiviert: „Taxi, Donnerstag, 11. 3. 02, Gespräche, Teil 1–5“? Oder sich wie auch immer daran delektiert und die Videos im Taxifetischistenkreis verhökert? „Meine geile Sicherheitsgarage“? Man weiß es nicht, fühlt sich im Taxi aber langsam ungemütlich.
Wohin genau man denn wolle, will der Taxi-Schily, der das Stadtviertel offensichtlich zum ersten Mal bereist, schließlich wissen. Sicherheitshalber nennt der Fahrgast nur eine in der Nähe seiner Wohnung liegende Straße, worauf der Taxischerge wie wild auf seinem Global-Positioning-System-Gerät herumprogrammiert. „Also Charlottenburg“, sagt er, obwohl er nach zwanzigminütiger Fahrt dem Ziel in Kreuzberg recht nahe ist.
Auf das „Nein, Kreuzberg bitte“ des Fahrgastes folgt sofort ein „Bin doch nich’ bekloppt“ und ein erneutes halsbrecherisches GPS-Programmieren während der einhändigen Rennfahrt.
Ob denn die Videoüberwachung etwas nütze, will man beim Zahlen noch wissen. Schließlich habe man das kleine Kameraobjektiv nur zufällig entdeckt, und ein Räuber würde es vielleicht übersehen.
Nein, sagt der Fahrer und setzt ein gruseliges Lächeln auf. „Wenn’s hart auf hart kommt, hab ich ja noch die Wumme hier.“ Bedrohlich fuchtelt der Sicherheitstaximann mit einer Pistole herum. „Piff, paff, ich bin doch nich’ bekloppt.“ Otto Schily hätte an dem Mann seine Freude gehabt, so viel ist sicher.
MATTHIAS THIEME
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