: Der Kanzler spricht
Gerhard Schröder informierte früher über Irak-Konflikt als bisher bekannt. Union und FDP beklagen Vertrauensbruch
BERLIN taz ■ Die Frage ist keine Kleinigkeit: Wen und wann hat Gerhard Schröder zum ersten Mal über die Haltung der Bundesregierung zu einem möglichen Irak-Angriff der Amerikaner informiert und dabei mitgeteilt, dass die deutschen Spürpanzer in Kuwait stationiert bleiben? Die Partei- und Fraktionschefs? Oder eine zusammengewürfelte Runde von Intellektuellen bei Rotwein und Zigarre?
Bisher nahmen alle an, Schröder habe das „philosophische Gespräch“ mit Schriftstellern und Wissenschaftlern am vergangenen Mittwoch gezielt genutzt, um seine Position zum Irak öffentlich zu machen. Das passte der Opposition ins Bild vom arroganten Kanzler, der – ob Afghanistan oder Irak – selbstherrlich entscheide, wen er wann worüber informiere. Insbesondere FDP-Chef Guido Westerwelle hatte sich darüber empört, dass Schröder Schriftstellern Informationen gegeben habe, die er den Partei- und Fraktionschefs in einem vertraulichen Gespräch am Montag voriger Woche noch verweigert hatte.
Der Bundesregierung ging Westerwelle mit seinen leicht belehrenden Klagen wohl auf die Nerven. Jetzt hat sie sich gerächt. Sie spielte das Protokoll von der Unterredung der Partei- und Fraktionschefs im Kanzleramt der FAZ zu, die es in ihrer gestrigen Ausgabe veröffentlichte.
Aus diesem Gesprächsprotokoll geht hervor, dass Schröder sehr wohl bereits am vorletzten Montag relativ ausführlich über den Irak-Konflikt informierte. Schröder sagte demzufolge, das er eine Beteiligung Deutschlands an einem Militärschlag der USA gegen den Irak nur für denkbar halte, wenn es ein UN-Mandat für diesen Angriff gäbe. Der Kanzler teilte außerdem mit, dass er entschlossen sei, die deutschen „Fuchs“-Spürpanzer auch dann in Kuwait zu lassen, wenn die Amerikaner im Alleingang den Irak angriffen. Diese Aussage ist deswegen brisant, weil die Bundesregierung bisher immer behauptet hatte, die Spürpanzer seien lediglich zu Übungszwecken in Kuwait.
Dass die Unterredung beim Kanzler so verlaufen sei, wurde der taz sowohl von Grünen-Chefin Claudia Roth als auch vom PDS-Fraktionsvorsitzenden Roland Claus bestätigt. CDU/CSU und FDP hingegen toben. In gleichlautenden Briefen der beiden Partei- und Fraktionsführungen an den Kanzler werfen sie der Regierung Vertrauensbruch vor. Sie seien nicht informiert worden, dass von der vertraulichen Sitzung ein Protokoll erstellt werde. Es liege auch nicht ihnen, sondern der Presse vor. Der Vorgang markiere „einen Tiefpunkt der Informationspolitik der Regierung“. Zum Inhalt des Protokolls haben sich Union und FDP interessanterweise nicht geäußert. JENS KÖNIG
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