Bahn in der Brückenfalle

■ Seit Dezember ist die neue Bahnstrecke von Leer nach Groningen fertig. Trotzdem fahren keine Züge, so dass der Landkreis Einbußen im Tourismus fürchtet. Eine Posse

35 Millionen Mark hat der Ausbau der Bahnstrecke Leer – Groningen gekostet. Die Renommierstrecke deutsch-niederländischer Verkehrs-Kooperation, sie wurde aus Mitteln der EU, des Landes Niedersachsen und der Provinz Groningen gebaut, ist seit Dezember letzten Jahres fertig gestellt. Allein Züge fahren auf den blitzblanken neuen Schienen immer noch nicht. „Es gibt unter anderem technische Probleme, die noch gelöst werden müssen“, so Bahnsprecher Hans-Jürgen Frohns zur taz. Warum diese Probleme nicht vor oder während des Baus gelöst werden konnten, erklärt der Bahnsprecher lapidar mit: „Wir hatten keine Zeit.“

„Wir können und wir wollen fahren, bis zu sechs mal am Tag“, erregt sich Sietze de Jonger, Projektleiter der Regionalbahnen in der Provinz Groningen. Im Gegensatz zu Deutschland, sind die Regionalbahnen in den Niederlanden wichtiger Teil des öffentlichen Nahverkehrs. „Dass wir immer noch auf die Verbindung Leer-Groningen verzichten müssen, ist ein deutsches Problem. Leiden müssen Pendler und Gäste“, meint de Jonger.

Verantwortlich für die „technischen Probleme“, sind zwei Dinge. Einmal wollen die Niederländer ab dem alten Grenzübergang Nieuweschans die deutschen Züge übernehmen. Die Bundesbahn traut ihnen das aber offenbar nicht zu und möchte deshalb die niederländischen Lokführer erstmal weiter schulen. „Eine Unterstellung“, sagt der niederländische Projektleiter de Jonger. Zum anderen führt kurz vor der Grenze bei Weener eine Eisenbahnbrücke über die Ems. Berühmt ist dieses Nadelöhr, weil sie, jedesmal wenn die Papenburger Meyer-Werft eines ihrer riesigen Luxusschiffe an die Nordseeküste schleppt, ausgehängt werden muss. Doch nur Meyer hat Vorfahrt, nicht die Züge nach Groningen und auch nicht der Fremdenverkehr. „Wir müssen auf die Binnenschiffer Rücksicht nehmen, die am liebsten die Brücke immer offen haben wollen“, so Bahnsprecher Frohns.

„Für den kleinen Grenzverkehr und für unsere Gäste ist die gesperrte Brücke eine Katastrophe“, sagt Dieter Bakker, Sprecher des Landkreises Leer, zur taz. Über die Weeneraner Brücke führt nämlich nicht nur die Zugstrecke Leer-Groningen, sie ist auch als Fußgänger- und Radfahrbrücke ausgebaut. Doch eine offene Brücke für die Binnenschiffer bedeutet eben eine geschlossene Brücke für Züge und Radfahrer. Obwohl die Deutsche Fehn- und die Internationale Dollart-Route, die meist befahrenen Radwanderwege in Norddeutschland, just über diese Brücke führen. Um sie auch während der Bauarbeiten offen zu halten, hat der Landkreis eigens ehemalige Brückenwärter aus dem Ruhestand aktiviert. Bis zu 700 Passanten am Tag queren die Brücke in der Hochsaison. Vor dem Ausbau war sie durchgehend zwischen sechs und 21 Uhr für Fußgänger und Radler passierbar. Zur Zeit wird sie nur sporadisch geöffnet, mittags zur Hauptverkehrszeit ist sie seit Dezember ganz geschlossen.

Nachdem 1973 die einzige Emsfähre in diesem Flußbereich still gelegt wurde, hatte der Landkreis mit der Bundesbahn einen Vertrag geschlossen, der die Durchlässigkeit der Brücke für Passanten garantiert. Sein Recht einklagen will der Landkreis aber derzeit nicht. „Wir setzen auf Verhandlungen“, meint der Sprecher. Derweil gibt sich die Bahn gelassen. In einer kurzen Mitteilung lässt sie wissen: „Bis auf weiteres keine Züge. Statt dessen wird ein Busverkehr angeboten. Die Öffnungszeiten der Brücke ändern sich bis auf weiteres nicht.“ Schumacher