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Wenn sich die Banken zanken …

… bleiben die Geldschalter geschlossen: Holzmanns „Topsanierer“ haben einen Verlust von 225 Millionen Euro erwirtschaftet. Und keiner hilft

von KLAUS-PETER KLINGELSCHMITT

Es war wohl die Henkersmahlzeit: Kasseler an Rotweinsoße mit Kartoffelbrei wurde gestern Mittag im Stammhaus der Holzmann AG in Neu-Isenburg serviert. Das spezielle Casino im Schulungszentrum des Unternehmens war Schauplatz der vielleicht letzten Pressekonferenz der Vorstandsmitglieder des Baukonzerns, die ohne ihren Vorsitzenden und angeblichen Topsanierer Konrad Hinrichs angetreten waren, um einen letzten Appell an die drei Banken zu richten, die sich dem „Konzept der wirtschaftlichen Vernunft“, so Vorstandsmitglied Johannes Ohlinger, noch verweigerten.

Dabei habe die Deutsche Bank doch schon am Vormittag ihre Bereitschaft erklärt, zusätzlich 50 Millionen Euro für die Sanierung von Holzmann lockerzumachen. Und die deutsche „Leaderbank“ will bei der anstehenden Umwandlung der von diversen Investmentfirmen 1998 erworbenen Wandelschuldanleihen in echte Aktien, die eigentlich kein Mensch mehr haben will, oder gleich in harte Euro helfen.

Die „übergroße Mehrheit“ der Gläubigerbanken sei doch schon seit Tagen bereit, das von den finanzierenden Banken und Kreditversicherern und der renommierten Beratungsfirma Roland Berger erarbeitete Sanierungskonzept mitzutragen, sagte Ohlinger. Auf Forderungen in Höhe von 114 Millionen Euro hätten die Banken verzichten sollen. Und Holzmann die Tochter HSG für 84 Millionen Euro abkaufen. Jetzt brauchten sich doch nur noch die wenigen „weiter kritisch eingestellten“ Banken zu bewegen.

Weil das nicht gelingen mochte, trat die Holzmann AG am Donnerstagabend den Gang zum Konkursrichter an. Deadline jedenfalls war um Mitternacht. Weil keine Aussicht bestand, die Lücke von rund 120 Millionen Euro in der Eigenkapitaldecke des Unternehmens bis dahin zu schließen, muss der Insolvenzantrag umgehend beim zuständigen Amtsrichter in den Briefkasten geworfen werden. Ansonsten hätte dem Vorstand eine Anklage wegen Konkursverschleppung gedroht.

Tatsächlich haben sich die Vertreter der Gläubigerbanken am Nachmittag noch einmal getroffen, um die durch das zusätzliche Engagement der Deutschen Bank entstandene neue Lage zu diskutieren. Draußen vor den Geldspeichern der renitenten Commerzbank und der Dresdner Bank, die sich zusammen mit der HypoVereinsbank bislang weigerten, ihrem bei Holzmann „faul gewordenen Geld weiter gutes Geld hinterherzuwerfen“ (Dresdner Bank), zogen einige hundert Holzmänner protestierend durch die Hochhausschluchten der Frankfurter City. „Holzmann muss leben!“, stand auf ihrem Transparent. „Wir hoffen, dass die Banken noch einlenken“, sagte der stellvertretende Gesamtbetriebsratsvorsitzende Wilhelm Röll vor der endgültigen Entscheidung.

Eher traurig zogen die Holzmänner gestern durch die Stadt: „Wir sind zwar kämpferisch eingestellt, aber auch ziemlich deprimiert“ (Röll). Noch im November 1999 hatten sie auf Fässern gegen die geballte Bankenmacht angetrommelt und dann den Kanzler gefeiert, der die damals schon sanierungsunwilligen Banken mit einer Kreditzusage des Bundes und einer Bürgschaft in Zugzwang brachte. Holzmann schien gerettet. Doch der Schuldenberg in Höhe von rund 2,25 Milliarden Euro wurde in den vergangenen zwei Jahren kaum abgetragen. Im vergangenen Jahr erwirtschafte Holzmann dann einen Verlust von 225 Millionen Euro – schon unter der Ägide des mutmaßlichen Topsanierers Hinrichs, der gestern „nicht in Frankfurt weilte“, so ein Vorstandskollege mit gereiztem Unterton in der Stimme.

Die Henkersmahlzeit wurde von den Vorstandsmitgliedern übrigens nicht angerührt. Ihnen war der Appetit ohnehin vergangen. Alle starrten wie gebannt auf die Skyline von Frankfurt. Das Schicksal von Holzmann entschied sich dort in den Bankentürmen – vielleicht erst in der Nacht. Ohlinger schickte noch einmal eine „letzte Botschaft“ in die Wolkenkratzer der Dresdner Bank und der Commerzbank: Der Crash koste alle Beteiligten rund 1,3 Milliarden Euro; das Kreditrisiko für alle Banken betrage dagegen nur 240 Millionen Euro, konstatierte er flehentlich. Vielleicht ist die Botschaft angekommen.

Vielleicht sind die aufmüpfigen drei deutschen Großbanken aber auch wild entschlossen, den Branchenprimus und Holzmann-Großaktionär Deutsche Bank gegen die Wand laufen zu lassen. Aus Rache auch für die Verkaufsempfehlung, die von Analysten der Deutschen Bank für die Aktien von Commerzbank und Dresdner Bank ausgesprochen wurde – nach deren Rückzug aus den Sanierungsgesprächen am Mittwoch.

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